15.2.11

Mount Hood bei Portland

Schon in Canada, in Fort Sankt John, erzaehlte mir Jason von der Vulkankette, die sich von Nordwashington beginnend bis nach California hineinzieht. Jeweils in einem Abstand von rund hundert Meilen ragt in relativ unspektakulaerer Landschaft ein monstroes grosser Vulkan aus der Kruste heraus. Mt. Baker bei Bellingham, dann Mt. Raineer bei Tacoma, Mt. St. Helens, Mt. Hood bei Portland, Mt. Jackson bei Eugene, Mt. Shasta, the three Sisters and so on.
Es ist schon interessant zu realisieren, dass man hier auf einem platten-tektonisch heissem Gebiet rumspaziert. Und die Leute hier in der Gegend wissen wahrscheinlich besser wovon ich rede, denn die konnten erster Hand die Eruption von Mt. St. Helens 1980 mitverfolgen.
Was mich aber noch mehr interessierte, ist die Tatsache, dass jeder Berg geritten werden kann und zwar ganz besonders im Winter. Schon in Kanada setzte ich mir den Plan einen der Vulkane zu erklimmen und mit einem Snowboard wieder hinab zu segeln.
Die vorher gehenden Umstaende haben mich nun eben zu Mt. Hood gefuehrt.

Am allerersten Tag in Portland stiess ich zufaelligerweise auf einen Outdoor-Store und fand heraus, dass die dort Splitboards verleihen. Ein Splitboard ist ein Snowboard, dass der Laenge nach in der Mitte entzwei geschnitten wurde, sodass man im Prinzip zwei Skier hat. Mit einer speziellen Bindung kann man dann wie die Tourenski-Geher aufsteigen. Wenn man riden will, verbindet man die beiden "Skier" mit drei kleinen Klickmechanismen, dreht die Bindung seitwaerts und dann hat man sein Snowboard, mit dem man loslegen kann wie gewohnt.
Ich habe die ersten drei Wochen nur auf gutes Wetter gewartet und auf eine sonst relativ ruhige Portlandzeit, da ich nicht grosse Events verpassen wollte. Letzte Woche war der perfekte Moment. Der Wetterbericht sagte drei sonnige Tage voraus und der Eventkalender versprach ein paar Tage Atempause.

Ich habs geschafft, ich habe diesen im Scnee schrecklich zu fahrenden Van wirklich bis auf ueber 2.000m auf den Parkplatz der Timberline Lodge, einem der Skigebiete, befoerdert. Ich hatte zwar Schneeketten, die ich mir vorher noch gekauft habe, da zumindest der Besitz von Schneeketten Pflicht ist, doch wollte ich die nicht benutzen und stattdessen zurueck bringen, um das Geld wieder zu bekommen. Aber bis auf ein paar Ausbrechversuche des Hinterteils auf verschneiter Strasse ging alles gut.

Rucksack gepackt, Ski an die Boots und auf gings Richtung Gipfel. Schon nach den ersten Schritten konnte ich mir ein kleines Urteil erlauben: Goettlich! Zumindest das Aufstiegsverhalten des Splitboards war phaenomenal. Musste es sich also nur noch beim riden bewaehren.
Der Aufstieg begann im Nebel, doch nach zwei Stunden war ich dann ueber den Wolken und hatte atemberaubende Blicke auf den Gipfel, Richtung Porland und auf Mt. Jackson 50 Milen im Sueden, der ueber dem Ozean aus Wolken trohnte.
Langsam arbeitete ich mich parallel zum letzten Lift des Skigebietes bergauf. Gluecklicherweise ist dieser Lift nur im Sommer geoeffnet, sodass ich meine Ruhe und die Aussicht auf eine verlaengerte Powderfahrt hatte, ohne den Spuren von tausenden vorhergehenden Winersportlern folgen zu muessen, die eine Abfahrt nur zu einem zweitklassigen Schneeerlebnis machen wuerden.

Etwa auf dreitausend Metern und schon weit oberhalb des Liftendes fand ich einen klitzekleinen Platz, auf dem geradeso ein Zelt drauf passte. Wenige hundert Meter weiter unten, haben andere Gipfelstuermer schon einen perfekten Campplatz okkupiert. Ich durfte mir von Becky ihr Tarptent (ein spezielles Zelt) ausleihen und hatte somit die perfekte Moeglichkeit es auszutesten, bevor ich es mir kaufen werde, was seit einem Jahr mein Plan ist.

Nachdem alles aufgebaut war, ich ein paar (anscheinend geniale) Fotos geschossen und mir in aller Eile mein Essen reingestopft habe, lag ich eingemummelt und wimmernd in meinen Schlafsaecken, da mir ziemlich krass meine Finger eingefroren sind. Ich musste alles ohne Handschuhe erledigen, da ich nur Faeustlinge hatte und man mit den Dingern gar nix gebacken kriegt, zumindest nicht feinmotorisch. Wenigstens war ich allein und konnte somit ungestoert, ohne bloede Kommentare wie:"Sei kein Weichei du Jammerlappen!", vor mich hin winseln. Um ca. 18.30 Uhr bin ich dann eingeschlafen.

Ich wache auf und oeffne meine Augen. "Hm, verdammt es ist noch dunkel.", denke ich bei mir. "Schauen wir doch mal wie spaet es ist. Bitte, bitte lass es kurz vor Sonnenaufgang sein." 20.30 Uhr - Fuck!
Hellwach lag ich nun da, nach gerade mal zwei Stunden Schlaf und hatte noch fast die ganze Nacht vor mir. Nur zu gut kenne ich genau diese Sitaution und jedes Mal daemmert mir, dass mir grauenhafte Stunden bevorstehen. Natuerlich war es genau so. Ich waelzte mich von links nach rechts, hoerte etwas Musik und versuchte erneut erfolglos einzuschlafen. So zog es sich dahin und ich verfluchte mich selbst zu frueh ins Bett gegangen zu sein. Das Problem ist, was will man auch sonst bei minus zehn Grad in der Dunkeltheit allein in einem Zelt machen?!

Um Mitternacht setzte Wind ein. Noch in kleinen zarten Boeen tippte er immer regelmaessiger gegen das Zelt und wurde von Mal zu Mal staerker. Schliesslich haemmerte orkanartig der Wind in mein Camp und drueckte mit jeder Boee das Zelt flach auf den Boden, sodass es den Anschein hatte, als laege ich nicht in einem Zelt sondern einfach nur in einer grossen Tuete oder einem Biwaksack. Es war schrecklich und vor allem war es schrecklich laut. Und ich hatte Angst, dass mir das Zelt einfach zerfetzen wuerde und ich dann Becky ein neues haette kaufen muessen.

"Es riecht wie auf einer Rig, wie in Taylor, dem ekligsten aller Krebs erregenden Staedtchen in nord BC, wo die riesigen Fabriken stehen, die Erdgas weiter veredeln. Um genau zu sein - es riecht nach Schwefel." Sofort schossen mir die wildesten Gedanken durch den Kopf, als ich realisierte, warum es nach Schwefel roch. Natuerlich war es der Vulkan. Was, wenn er jetzt gerade kurz vor einem Ausbruch steht? Dann sterbe ich hoechtswahrscheinlich oder aber ich habe die wildeste Achterbahnfahrt meines Lebens vor mir. Logischerweise war das total irrational, denn der Vulkan ist seit Jahrtausenden nicht ausgebrochen und wenn es gerade in diesem Moment passiert waere - tja, dann waere das eben sehr viel Pech gewesen. Aendern haette ich sowieso nichts koennen. Dann erinnerte ich mich, dass ich beim Aufstieg weiter oben in den Felsen ein schwarzes Loch im Schnee gesehen habe, wo es unaufhoerlich heraus dampfte. Das war wahrscheinlich die Quelle des Schwefels, also nicht weiter tragisch.

Als der Wind noch weiter zunahm, stellte ich vermehrt ein hauchzartes eisiges Rieseln mit jeder eintreffenden Boee auf meinem Gesicht fest. Ich erinnerte mich an die Woche Schneecamping mit Martin in den Oetztaler Alpen, wo Aehnliches stattgefunden hat. Bei Beruehrung des Zeltes riesltes es immer Schnee auf uns herab und wir stellten fest, dass sich Kondenswasser aus unserem Atem an der Zeltinnenwand zu wunderschoenen Schneekristallen abgesetzt hat, die bei Erschuetterung als Niederschlag auf uns darnieder stuerzten. Da das Gleiche immer bei besonders boesartigen Windschueben passierte, gab ich mich mit gleicher Erklaerung zufrieden. Doch als ich immer noch Schnee ins Gesicht bekam, als ich auf der Seite lag, wurde ich stutzig und schaltete mal meine Lampe ein. Das Bild war verheerend: ueberall war Schnee. Ueberall! Und der Schnee kam nicht von innen, sondern von aussen. Der Wind war so wild, dass er Schnee durch den Schlitz zwischen Zeltende und Boden durch das Fliegennetz hineinpustete. Fatalerweise habe ich vor dem zu Bett gehen alle Klamotten und andere Gegenstaende aus meinem Rucksack geholt und im Zelt verteilt, die nun mit einer betraechtlichen Schneeschicht ueberzogen waren. Meinen Rucksack habe ich offen gelassen, weswegen auch mein Rucksack mit Schnee gefuellt war. Es war ein deprimierendes Bild und mir gruselte bei dem Gedanken das Desaster wieder in Ordnung zu bringen, natuerlich wieder ohne Handschuhe. Doch es war erst in den fruehen Morgenstunden und so ignorierte ich den ganzen Schmarrn einfach und setzte meine Schlafversuche fort.

Ich sass auf dem Gehweg vor einem Plattenbau wie aus der DDR. Mein Rucksag lag auf dem Boden und alle meine Sachen verstreut in der Gegend herum: mein Kompass, die Stirnlampe, Kamera, Messer, Loeffel, Ausweis, Zahnbuerste und Zahnpasta, Geld und Schliesslich meine Klamotten. Genauso wie in meinem Zelt waren allen kleinen Utensilien aus dem Rucksack ausgepackt und lagen vor mir da. Es war dunkel vor dem Plattenbau, wie in meinem Zelt. Ich war hektisch damit beschaeftigt all meinen Kram zusammen zu lesen, um ihn schliesslich schnell in meinen Rucksack zu stopfen. Der Grund fuer meine Hektik war eine Frau, die in einem oeberen Stockwerk in dem Haus wohnte. Ich wusste, dass wenn sie mich auf dem Gehweg sieht, zusammen mit meinen verstreuten Sachen, sie in einem Wutanfall oder so was aehnlichem explodieren wuerde. Warum? Keine Ahung, aber ich wusste, dass es so war und dass ich schleunigst weg musste, bevor sie aus der Eingangstuer kam. Das Geraeusch einer sich oeffnenden Tuer ertoente und ich hoerte Schritte, die lauter wurden. Jemand kam die Treppe herunter und ich wusste, dass es die Fraun war. Ich wurde immer hektischer, die Schritte wurden lauter, dann ging die Eingangstuer vom Haus auf und die Frau erschien. Als sie mich sah, plusterte sie sich auf und wollte gerade loskreischen.

In genau diesem Moment gab es einen lauten Knall und mein Zelt wurde mit mir drin liegend aus dem Boden gerissen und einen Meter zur Seite geworfen. Ich wachte natuerlich sofort auf und mir war schlagartig bewusst, was los war. Ich habe getraeumt und dann kam der Knall. Eine besonders starke Windboee hat die Heeringe am Fussende des Zeltes herausgerissen und mich ein gutes Stueck zur Seite gekickt. Und mein erster Gedanke war, wie in dem Traum: sammel all deine Utensilien zusammen, stopf sie in den Rucksack und mach dass du hier weg kommst.
Mein Kopf und Oberkoerper lagen noch auf dem urspruenglichen Lagerplatz, doch Beine und Hintern hingen ueber der Kante, bergabwarts auf dem Hang, der wie ein glatt pollierter Eisspiegel 3km weiter unten rechts vom Skigebiet sein Ende fand. Der Hang ist nicht besonders steil, allerdings komplett ohne Hindernisse und zumindest im oberen Teil fast glattes Eis oder mit nur einer hauchduennen Schneeschicht bedeckt, da der Wind alles Lose sofort wegblaest. Diese Bedingungen haetten gereicht, um mich gefangen im Zelt wie in einem Schlitten bergab sausen zu lassen. Zeltboeden sind im Prinzip glatte Plastikoberflaechen, die geradezu fuer Schlittenartigen Missbrauch praedestiniert sind. Alles was mich noch an Ort und Stelle hielt, war mein Oberkoerper, der ja noch auf der waagerechter Stelle lag und die zwei Heeringe am Kopfende, die als rettende Kletterhaken fungierten.

Panisch krabbelte ich ans Kopfende und wurschtelte wie verrueckt am Reissverschluss rum, den ich erst nicht aufbekam. Als ich endlich draussen war, zog ich den ganzen Sack mit all meinen Sachen hoch, kaempfte dabei wie verrueckt mit dem Wind, der immer noch beaengstigend tobte und machte alles startklar fuer die Abfahrt.
Auf einen Gipfelversuch hatte ich ganz und gar keinen Bock mehr. Der Hauptgrund dafuer war aber, dass ich meinen Topf im Auto vergessen habe. Kocher hatte ich dabei, Flaschen hatte ich dabei, nur meinen Topf nicht, weswegen ich keinen Schnee fuer Trinkwasser schmelzen konnte. Und ich hatte auch nur noch eine Tasse fluessiges Wasser. Weitere vier Stunden Aufstieg mit nur einer Tasse Wasser waeren niemals was geworden.

Gluecklicherweise ist dieser ganze "ich-werde-vom-Berg-gepustet-Vorfall" 6.20 Uhr am Morgen passiert, als sich gerade der Horizont rot verfaerbte. Die Nacht war ueberstanden, zwar nur mit ca. drei Stunden Schlaf, aber sie war vorbei. Und in so einer Situation kann das Bild eines roten Horizontes und einer aufgehenden Sonne das schoenste sein, was man sich wuenschen kann.

Ich bastelte das Splitboard fuer die Abfahrt zusammen, sattelte meinen Rucksack und segelte nach ein paar eisigen turns, dann in unglaublichem Powder in den Sonnenaufgang hinein, zurueck zum Auto.

Um 9.20 Uhr startete ich vom Auto zum zweiten Gipfelversuch. Da ich am Vortag festellte, wie schnell ich war, wusste ich, dass man es an einem Tag schafft. Auch deswegen, weil viele andere Skitourengeher um die gleiche Zeit zum Gipfel aufgebrochen sind. Somit konnte ich fast mein ganzes Gepaeck diesmal am Auto lassen und wuerde noch schneller sein. Es war ein herrlicher Tag, purer Sonnenschein, nicht die kleinste Wolke.
Drei Stunden spaeter war ich an dem Ort, wo ich am Morgen abgebrochen habe. Die naechsten paar hundert Meter waren quaelend. Der Boden war pures Gletschereis und ich musste regelmaessig die Skier abschnallen und zu Fuss weiter gehen. Eigentlich haette ich Steigeisen gebraucht, aber die waren nun mal nicht zur Hand und so musste ich mich von Schneefeld zu Schneefeld hangeln und zwischendrin auf Eis herumstaksen. Ich versuchte vom Eis runter zu kommen, indem ich zum Osthang hin auswich und auf eine Wechte zusteuerte, an deren Kante ich auf weicherem Schnee weiter aufsteigen koennte. Zur Wechte kam ich und Schnee gab es und mir folgten sogar drei weitere Bergsteiger, die dieses Vorhaben ebenso als eine gute Idee klassifizierten. Doch der Wind war das Problem. Wir versuchten genau auf der Kante aufzusteigen, eben dort, wo der Wind am heftigsten rueber blies. Jeder Schritt musste bedacht werden, der Wind mit einkalkuliert und oft war es so stuermisch, dass ich einfach nur dastehen konnte und die Boee abwarten musste. Den anderen drei gings auch nicht anders. Dann kam ploetzlich so ein kraftvoller Schub, dass es uns alle sprichwoertlich umgehauen und auf den Arsch gesetz hat. Ich hatte in dem Moment wirklich Sorge, dass wenn ich einmal ins Rollen komme, mich der Wind wie ein Blatt Papier ueber den Gletscher wirbeln wuerde. Ich liess mich auf den Boden fallen und rollte mich zu einer Kugel zusammen, meinen Rucksack fest umklammert. Der Wind transportierte milliarden kleinster Eiskristalle mit sich, die einem wie ein Sandblaster unaufhoerlich ins Gesicht haemmerten und unter die Jacke krochen und in die Schuhe und einfach ueberall hin. So lag ich ein paar Minuten da, als Kugel, und ueberlegte, was ich tun koennte. Ich kam zu dem Schluss, dass ich aufgeben musste. Ich hatte nicht die adaequate Ausruestung und Information fuer einen Gipfelversuch. Ich habe mich zu keiner Zeit in eine verantwortungslose Lebensgefahr begeben und der Berg ist wie es scheint ein wirklich einfacher Berg. Trotzdem braucht man Steigeisen und evtl. Pickel und keinen Wind.
Ich wollte Spass haben und ein tolles Bergerlebnis mit nach Hause nehmen und entschied mich gegen die Quaelerei und gegen den Gipfelruhm. So weit ich weiss, war das das erste Mal. Abgesehen von einer abgebrochenen Wandertour am Hochkoenig in Oesterreich mit meinen Eltern, als ich ca. sieben Jahre alt war. Doch da war mein Vater der Entscheidungstraeger und ich musste mich unterordnen, auch wenn die Enttaeuschung damals sehr gross fuer mich war. Doch so laeufts nun mal am Berg.

Nach ein paar Minuten hin und her Ueberlegen war ein Abbruch der Gipfeltour aber gar keine Tragik. Denn auch wenn ich nicht ganz oben war, so hatte ich doch immer noch eine grandiose Powder-Abfahrt vor mir, der eigentliche Grund, warum ich mich ja an diesem Berg zu schaffen machte. Und es war ein Seegen, dass ich nach Osten zu der Wechte uebergequert habe, denn es praesentierte sich dahinter ein endlos langer Canyon, windgeschuetzt, mit dem zartesten Pulverschnee, den man sich denken kann.
Noch in Portland habe ich diesen Canyon schon auf Google Maps entdeckt und als eine meiner Routen ins Auge gefasst, mich dann aber doch fuer eine weiter westlich entschieden. Doch der Wind hat mich nun schliesslich indirekt zu diesem Canyon geleitet, entgegen seiner Richtung, und mir dieses Juwel offenbart.

Der Wechsel von Ski zu Snowboard war an der Wechte ein etwas groesseres Problem, wegen dem Wind, doch nach einer Viertelstunde kreuzte ich in den Canyon hinein, war sofort im Windschatten, die Mittagssonne schien direkt von vorne auf mein Gesicht und ich begann die allererste Spur in unberuehrten endlosen Powder zu ziehen. Ich fuhr und fuhr und es hoerte nicht auf. Grosse Schwunge, kleine Schwuenge, vereinzelt tauchten Felsen als Hindernisse auf, die ich spielend in die Fahrt mit einbezog, links rum, rechts rum, durch die Mulde, ein eleganter Sprung ueber eine kleine Wechte, in Halfpipe aehnliche Seitenarme des Canyons eingetaucht und wieder zurueck auf den hunderte Meter breiten Haupthang des Canyons. Beim Zurueckschauen sehe ich grosse Wellen pulvrigen Schnees im Wind tanzen.
Ein paar Kilometer weiter unten wird der Schnee dann langsam sulzig und ich weiss, dass ich stoppen muss, um nicht zu weit ab vom Schuss zu kommen. Doch ich war gefangen in der ekstatischen Euphorie der Fahrt und konnte einfach nicht anhalten. "Nur noch ein paar turns, nur noch um diese Ecke. Ach verdammt, ueber das Schneefeld fahr ich noch.", usw. Schliesslich setzte sich mein rationales Denken durch und ich hielt an und stiess dabei einen orgasmischen Freudenschrei aus. Ich haette noch ca. 5km weiter runterfahren koennen, bis zum Highway, doch dann waere ich am Arsch gewesen.
Dieser Pow-Ride war der laengste und beste, den ich je in meinem Leben hatte. Und was ist das logischste in dieser Situation? Genau, man wechselt zum Ski, steigt auf und macht das ganze noch mal.

Nach der zweiten Fahrt musste ich wieder nach Westen queren. Dabei gab es nur diesen kleinen vielleicht 300m langen aber steilen Hang hinauf zu steigen. Gluecklicherweise gab es schon Spuren, sodass ich mich nicht vollends abrappeln musste, doch der fehlende Schlaf und die fehlende Kondition und die letzten Aufstiege sassen mir ziemlich in den Knochen. Ich war so fix und fertig, dass ich alle 15 Schritte ausruhen und mich hinsetzen musste. Ich habe fuer diesen laecherlich kleinen Hang 40 Minuten gebraucht und kam schliesslich kurz vor Sonnenuntergang voellig zerstoert wieder am Auto an und begab mich auf die Rueckfahrt nach Portland. Laufen ging an dem Rest des Tages so gut wie nicht mehr und bei einem Blick in den Spiegel zeigte sich, dass ich mich hoellisch verbrannt habe. Ich schaute in den Spiegel und ein Hummer schaute zurueck.

Nach diesem Erlebnis kann ich nur jedem, der an Wintersport interessiert ist das Tourengehen empfehlen. Ich kann mir jedenfalls gut vorstellen, dass dies mein neuer Fokus im Snowboarden wird. Es ist sportlicher, viiiiiieeeeel oekologischer, ruhiger und meditativer und jede Fahrt nach unten wird wie ein kleines Goldnugget geschaetzt und geehrt.

Sport Frei!

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

deine vernunft scheint diesmal die risikobereitschaft (oder sagt man besser unvernunft?) besiegt zu haben, indem du nicht auf den gipfel bist, das auch gar nicht musst. ist das nicht auch eine gewinnbringende erkenntnis, zumal deine abfahrt offensichtlich atemberaubend war??
und bei sehr kalten händen darfst du auch als mann jammern!!

Tuffis-Weltreise hat gesagt…

ja natuerlich ist das so. eine sehr gewinnbringende erkenntnis!
ich bin froh, dass ich endlich mal an meine grenzen gestossen bin. bei all den zuvorigen "unvernuenftigen" aktionen sah ich mich naemlich immer noch innerhalb meines potentials und nicht darueber.
ich denke nicht, dass ich einen verkrueppelten sinn dafuer habe, wann es gilt aufzugeben. ich denke einfach, dass ich fast noch nie zuvor an den punkt gelangt bin, wo es notwendig war aufzugeben.
dieses statement ist vorerst nur auf outdoor-aktionen wie diese bezogen.

Anonym hat gesagt…

Hallo Felix,
ich möchte mich trotz deiner Antwort doch auch dem ersten Kommentator anschließen. Ich bin froh, dass du nicht auf eisglatter Fläche, wie du selbst geschrieben hast, abgerutscht bist. Und ich habe beim Lesen spontan an Messners Bruder gedacht! Und an Elke, die auf den Elbrus wollte (ca. 5000 m), aber mit der Gruppe auch nicht auf den Gipfel kam und abbrechen musste.
Also (weiterhin) schön aufpassen, ich will dich doch irgendwann wieder in meine Arme schließen. Anna findet das Berggehen und spätere Abfahren übrigens auch wunderschön. Sie hat kürzlich eine Nebeltour erlebt!! Lass dir berichten.
Grüße von deiner Mudi

Anonym hat gesagt…

Über einen Saalfelder Weltradfahrer bin ich zu Deinem faszinierenden Bericht gekommen. Große klasse,wie Du Deine Träume umsetzt und Dich in der Welt geschmeidig bewegst. Gäbe es mehr Menschen, die ihr Leben so in Einklang mit sich leben wie Du es tust, hätten wir weder soziale noch kriminelle Probleme. Du machst vielen Mut mit Deinen Berichten.Deine Gedanken über Gott und die Welt sind großartig aussergewöhnlich. Mach weiter so. Vielen Dank, daran teilhaben zu können, aus der Ferne und in einem völlig anderen Leben steckend. Deine Eltern haben zugelassen, dass Du Dir ein sehr starkes Rückgrat aneignen konntest und Dich wunderbar in der welt zurecht findest. Deine positive Art auf Zusammenhänge zu blicken und Deine enorme Toleranz Andersartigkeiten gegenüber sind grandios. Schön, dass es Dich gibt. Schön, dass Du als positiver Deutscher in der Welt unterwegs bist.

Anonym hat gesagt…

kein kommentar, aber eine überlegung:
262 seitenaufrufe in der letzten woche heißt nicht unbedingt, dass 262 menschen deinen blog gelesen haben, sondern es werden wenige personen immer wieder geschaut haben, ob es etwas neues gibt. aber es gibt offensichtlich lange nichts neues??!!