25.6.11

Becky, Pilze, Abenteuer - Kanada

Teil eins

Als die Faehre von Port Angeles nach Victoria einlief, sass ich auf dem Promenadenrasen, an der engesten Stelle des Kanals, wo sich das Schiff durchzwaengen muss, um in der Hafenbucht ankern zu koennen. Der Kanal ist dort so schmal, dass man sich beinahe vom Schiff zur Promenade Papierflieger hin- und herschiessen koennte. Das wusste ich und habe mich deswegen genau dort platziert und mit meinem Fernglas bewaffnet beim naeher kommen des Schiffs alle Decks nach Becky abgesucht. Am Ende der Faehre stand sie dann alleine und schaute mit konzentriertem Blick in die Szenerie. Als sie mich sah, fingen wir beide an wild rum zu winken und uns zu zu rufen. Haben wir uns gefreut als wir uns wieder sahen!
Eine Woche zuvor fing sie beim skypen an rum zu witzeln, dass wir uns doch schon vor August noch mal sehen sollten. Und so entstand dann diese Spontanaktion, dass wir uns mehr oder weniger in der Mitte unserer jeweiligen Aufenthaltsorte treffen und das Wochenende zusammen verbringen wuerden.

Wir fuhren mit meinem Van an die Westkueste von Vancouver Island, wo wir drei Tage lang nichts anderes als uns selbst und die Natur genossen. Doch vorher gingen wir "shoppen". Auf Utopia wurde ich wieder mal mit der Moeglichkeit konfrontiert, die erstklassigen Ressourcen zu nutzen, die in der Wegwerfgesellschaft als Muell deklariert werden und normalerweise auf der Muellkippe landen. Wir gingen in den Buioladen rein, stellten den Einkaufswagen ab, und gingen sofort wieder raus, als uns beiden diese Option einfiel. Erstmal die "kostenlos-Regale" auskundschaften und dann nur das kaufen, was es im konstenlos-Regal nicht gibt, war der Plan. Als wir zehn Minuten spaeter den Laden erneut betraten, kauften wir nur ein Brot. Den Rest gab es im konstenlos-Regal. Unser Fang des Tages waren drei Plastiktueten voll gepackt mit Obst und Gemuese, von denen drei Wochen spaeter sogar noch was uebrig war. Besonders gefreut haben wir uns ueber die ca. drei Kilogramm Erdbeeren - in Kanadasind die so teuer, dass sich das normalerweise nur der Adel leisten kann. Das Schoene an dem Laden war, dass die kostenlos-Regale aus vier huefthohen, unabgeschlossenen, offenen Tonnen bestanden, in denen das Essen fein saeuberlich sortiert nur so zur Mitnahme bereit lag. So verbrachten wir drei wundervolle Tage mit koeniglichen Eintoepfen, extravaganten Frucht-Desserts, Spaziergaengen, Massagen und jeder Menge anderer Zuneigungen.
Als Schmankarl dieses kleinen Urlaubs lud ich Becky am Abend vor ihrer Abreise in ein deutsches (bayrisches) Wirtshaus ein. Sie hat noch nie zuvor in einem deutschen Restaurant gegessen und ich wollte ihr einen Vorgeschmack dessen geben, was sie erwarten wuerde, wenn sie naechstes Jahr vielleicht nach Europa kommt.
Das tolle war, es war nicht einfach nur eine deutsche Mahlzeit, sondern eine echt deutsche Erfahrung - die komplette Palette.
Es gab rot-weiss karrierte Tischdecken, Herzausschnitte in den Lehnen der Holzstuehle, Nerven zerreissende bayrische Volksmusik, Bilder und Fotos von Nuernberg, Berchtesgaden mit Watzmann, sowie dem Kufsteinmassiv, dass ja bekanntlich in Oesterreich liegt aber Oesterreich und Deutschland - das ist ja fast dasselbe. Und, wer wird sich jetzt wohl am meisten aufregen - die Oesis oder die Biefke?

Ausserdem war Frau Ober, eine Muenchnerin, in ein feineis Dirndel gewandet und servierte uns letztendlich hausgebackene Bretzel mit Butter, ueberbackenen Camenbert mit Preiselbeeren und eine vegetarische Platte aus Spaetzle, Kartoffelpuffer und Gemuese. Die war zwar etwas schnoede, ich nehme mal an das hat oane guade Schwoanshaxn gefehlt aber troztdem war es ein schoener Abend. Ein traditioneller bayrischer Koch hat halt nicht viel mit Vegetariern am Hut.
Im August kommt Becke wieder - eine lange Zeit. Doch so ist das nun mal.

Ich verbrachte noch einen weiteren Tag in Victoria um meine Reise in den Norden zu organisieren. Auf dem Weg zur Bibo wunderte ich mich, warum so viele Leute unterwegs waren. An einer der Hauptstrassen stiess ich dann auf eine unaufhoerliche Parade, die die Menschenmassen am Strassenrand unterhielt und fand heraus, dass dieser Tag ein Jahrestag (der 200te glaube ich) der Stadt Victoria war. Das wollte ich mir natuerlich genauer ansehen und stellte mich zu der Menge. Mein erster und bleibender Gedanke war, dass das ganze Spektakel wie eine Militaerparade aus kommunistischen Laendern auf mich wirkte. Das lag wahrscheinlich daran, dass ich nie auf einer Parade war (ausser ein, zwei Faschingsumzuegen in Erfurt als kleiner Junge) und sie daher nur aus Dokumentarfilmen kenne, in denen Russland, China oder die DDR ihre neueste Generation von Kampfmarionetten und Langstreckenraketen zur Schu stellen. Natuerlich gab es in Victoria jede Menge blumige und froehliche Umzuege, doch es traten auf Militaer-Corps aehnliche Gruppen auf, die widerum den Eindruck von Hitlerjungen oder FDJ'lern bei mir erweckten und welche ihre Maschierkuenste und Militaermusik praesentierten.
Sehr verwunderlich (es war in Victoria!) aber dann auch wieder nicht verwunderlich (so ist die Ammi-Kultur eben) fand ich, dass einige Gruppen aus den USA kamen. Was haben Militaer-Coprs aehnliche Gruppen aus den USA auf einer Jahrestagsparade in Victoria verloren???
Zu guter letzt zeigte die Armee vor dem Parlamentsgebaeude an der Hafenpromenda ihre Muskeln. Unterschiedliche Kanonen waren aufgebaut und Offiziere stolzten wie Haehne durch die Gegend und warben fuer den Eintritt zum Kasperletheater. Ich blieb kurz stehen und beobachtete eine Weile. Ein kleiner Junge kommt angerannt, mit weit aufgerissenen Augen, strahlend wie zu seinem Geburtstag, und laesst sich von seiner Mutter vor dem Geschuetz fotografieren. Die Offiziere prahlten vor Stolz und scherzten mit den Passanten, welche sich kontinuierlich vor den Kanonen mit einem Laecheln fotografieren liessen. Kanonen - die Maschinen, welche Menschen, Haeuser und die Natur zerfetzt und in Stuecke reisst. Und einige wirkten als ob Weihnachten waere und diese Maschinen das Schoenste ueberhaupt sind. Ich finde das irgendwie komisch. Doch noch viel komischer finde ich, dass das nicht alle komisch finden. Vernichtungsapparate scheinen wirklich immer noch das Normalste der Welt zu sein. Ich frage mich, ob in ferner Zukunft irgendwann das Unmoegliche wahr wird und die Offoziere schreien: "Der Frieden ist ausgebrochen, rennt um euer Leben!".

Nach der Faehrfahrt zu Vancouver machte ich mich ans Organisieren: Mitfahrgelegenheiten ins Internet stellen; Infos zu Waldbraenden vom letzten Jahr raussuchen; und meine Pilze abholen, die ich in Samis Restaurant in den letzten Monaten gelagert habe.
Fuenf Tage spaeter sass ich dann endlich im Auto Richtung Prince George. Begleitet wurde ich von Jenn und Juli. Juli sagte mir schon per eMail, dass sie am Pilze sammlen interessiert waere und so verbrachten wir schliesslich zwei Wochen zusammen, in denen ich sie der Morchelwelt naeher brachte.

Mein Ex-Arbeitskollege John teilte mir mit, dass auch er zur selben Zeit in den Pilzen sein wuerde und wir uns bei einem Brand nahe Williams Lake treffen sollten. Also fuhren wir nach Williams Lake, deckten uns mit Futter und Ausruestung ein und checkten das Feuer aus.
Einige Sammler waren schon da. Selbst ein paar bekannte Gesichter vom letzten Jahr und Fred, unser Kaeufer vom Terrece Mountain Feuer, war auch wieder im Geschaeft.

Der erste Tag war lang und hart. Es hat eine Ewigkeit gedauert, bis der erste Pilz im Eimer lag. Wir liefen viele Kilometer durch unterschiedlichstes Terrain und fanden so gut wie Nichts. Erst als wir am Nachtmittag auf ein Stueck Wald gestossen sind, das wirklich komplett abgefackelt ist, zeigten sich die Morcheln in etwas groesseren Mengen. Immerhin konnte ich wenigsten einen Eimer fuellen, wohingegen Juli mit ihrem zu einem Drittel gefuellten Eimer etwas enttaeuscht war. Besonders ernuechtern war dann zusaetzlich, als wir herausfanden, dass Frad nur 4,50$ fuers Pfund zahlte. So bekam ich fuer die ersten zwei Tage harter Arbeit nur 70$. Doch was anderes habe ich ja auch gar nicht erwartet. Letztes Jahr war es noch trauriger und man braucht halt einfach mindestens einen Tag um die guten Gegenden zu finden. Auskundschaften des richtigen Terrains ist das A und O beim Pilze sammeln.

Zu meinem Geburtstag sind war einen der Forstwege reingefahren, um naeher an der Brand heran zu kommen. Es war strahlender Sonnenschein und der Weg bestand aus kompakter, getrockneter Lehmerde. Es war zwar sehr holprig, doch selbst mein Van schaffte das. Nur in den Senken stand noch das Wasser der letzten Regenguesse in ziemlich grossen Pfuetzen.
Durch die ersten kamen wir noch durch, doch in der fuenften blieben wir stecken. Bei teilweise fast Waden tiefen Schlammgruben macht sich ein Hinterrad angetriebener Van nicht so gut. Jeder Versuch das Fahrzeug zu bewegen, endete nur damit, dass sich die Raeder immer tiefer in den Schlotter eingruben. Mit Hilfe von einem meterlangem Bett aus Tannenzweigen, die wir in die Spurrinnen legten und unter die ausgebuddelten Raeder stopften, sowie unermuedlichem Anschieben und unzaehligem Vor- und Zurueckschaukeln, bekamen wir das Auto wieder frei. Die ganze Aktion hat nur eine Stunde gedauert. Doch eine Stunde lang in sengender Hitze, begleitet von hunderten Muecken und eingeschmiert von oben bis unten in Schlamm zu versuchen ein Auto aus einer Wassergrube heraus zu fahren, zwei Kilometer vom Highway weg (der auch nur eine unasphaltierte Erdstrasse ist) - das ist wirklich kein Spass!
Ich verfluchte mich, es auch nur versucht zu haben und Juli machte mir zu Recht etwas Vorwuerfe. Aber als der Wagen dann wieder rollte, fuehlte sich das wie ein wunderbares Geburtstagsgeschenk an.
Wenigstens sammelten wir an diesem Tag besser als die Tage zuvor.

Wir waren mit unseren Blicken so auf den Boden fixiert, dass wir erst viel zu spaet feststellten, was sich im Himmel zusammen braute. Kaum dass wir die dunklen Schatten der Wolken realisierten, fing es auch schon an zu tropfen, donnern und blitzen. Innerhalb von Minuten waren wir klatschnass begannen zu frieren und es machte keine Sinn mehr sich unter verkohlten Baumstaemmen vor dem Regen schuetzen zu wollen. Also machten wir uns auf den Heimweg. Als wir wieder auf die Strasse kamen, auf der vor der boesen Pfuetze mein Auto parkte, war alles so, wie ich es mir dachte: eine einzige Schlammparty. Wir hatten Probleme auf der Strasse zu laufen, ohne unentwegt wie auf Seife rum zu rutschen. Die Pfuetzen sind auf fuenffache Groesse angeschwollen, die wie kleine Seen die Strasse komplett verschluckten.
Ich versuchte an dem Tag ger nicht mehr das Auto zu bewegen. Das haette niemals geklappt. Ich hatte selbst Probleme mir vorzustellen, dass ein Truck da durchkommen koennte. Wenigstens hoerte es auf zu regnen und ich konnte zu dem kleinen See um die Ecke laufen, um die restliche Asche von meinem Koerper abzuwaschen.

Als ich zurueck kam, stand Juli mit der Saege in der Hand vor dem Kofferraum auf der Strasse. Schon von weitem wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Sie wirkte irgendwie zerstreut und ganz und gar nicht gluecklich.
Als naechstes fielen mir die dampfenden Erdhaufen vor meinem Auto auf, sowie der ausgebrannte Camping-Bezin Kanister. Dann erzaehlte mir Juli, noch unter schock stehend, was passierte.

Waehrend ich weg war, wollte sie Feuer machen und anfangen zu kochen. Wir hatten einen noch komplett vollen Kanister mit Kocher-Benzin. "Ich wollte etwas davon als Starthilfe verwenden", sagte sie mit zittriger Stimme, was ja keine dumme Idee war bei dem nassen Holz. Etwas unklueger war aber viel zu viel auf den Holzhaufen zu schuetten und noch viel unklueger war, den offenen Kanister direkt daneben stehen zu lassen, als sie die ganze Schose anzuedete.
Erst gab es wohl eine riesige Stichflamme, die sofort auf den Kanister uebersprang und ihn in Flammen setzte. Vor Panik kickte sie ihn ein paar Meter weg, wodurch sich aller Inhalt entleerte und noch viel groessere Stichflammen folgten.
Zu guter letzt floss die brennende Suppe die Strasse runter Richtung Auto, das nur ca. fuenf Meter vom Epizentrum weg stand.
Dann kamen die Erdhaufen ins Spiel, mit denen sie versuchte den Feuerstrom aufzuhalten.
Als das nur halb funktionierte und das Feuer einen Schritt vom Auto weg war, fing sie an wild auf den Flammen rum zu trampeln, um mein Auto zu retten, wodurch sich aber nun auch noch ihre Schuhe in Brand setzten.
Wenige Sekunden spaeter war alles Benzin verbrannt, das Auto noch da, die Fuesse noch roh und genau in dem Moment kam ich wohl um die Ecke gebogen.
So bestand das Geburtstagsfestmahl nicht aus einer warmen Speise, sondern aus Cornflakes mit Rosinen und Mandelmilch und kurz danach gingen wir etwas unterkuehlt und ziemlich erschoepft ins Bett.

Teil zwei

Der naechsteTag startete sonnig strahlend wie jeder andere. Wir sammelten in unserem gewohnten Gebiet und wieder zog dasWetter am Nachmittag zu. Doch diesmal nahmen wir die Beine in die Hand und rannten zum Auto. Wir mussten es vor dem Einsetzen des Regen durch die ersten vier Pfuetzen kriegen, bevor die Strasse schmierig glattwerden wuerde. Wir waren noch ca. Zwei Kilometer vom Van weg und schon fielen erste Tropfen vom Himmel.
Juli sagte:“Lass deine Eimer hier und renn voraus. Ich bring sie mit.“
Ich rannte wie ich lange nicht mkehr gerannt bin. Als sich dasletzte Mal meine Lunge so angefuehlt hat, floh ich in Berlin 2009 vor Fahrkartenkontrolleuren, nachdem ich ohne Fahrschein erwischt wurde.
Aus dem zunaechst noch leichten rumgetroepfel wurde schnell ein Regen und ich war immer drei Minuten vom Auto weg. Die Schuhe habe ich vorher schon ausgezogen, um schneller durch den Schlamm sprinten zu koennen, in dem wir am vorigen Morgen stecken geblieben sind.
Mit Schmerz verzerrten, Gesicht vor Lungen- und Seitenstechen, kam ich am Wagen an, sprang auf den Fahrersitz, startete den Motor und latschte aufs Gaspedal mit Blick auf die erste grosse Pfuetze direkt voraus. Sie war deutlich kleiner als am Abend zuvor, doch immer noch viel groesser als bei der Reinfahrt. Mit einem „Wusch“ haemmerte ich durch, links und rechts eine Brackwasserwelle.
Zehn Meterdanach kam schon die zweite Pfuetze. Ich habe noch mal so richtig Gas gegeben, um auch ja genug Schwung zu haben. Es ging rein ins Vergnuegen und dann gab es einen gewaltigen Schlag. Das Auto huepfte mit der kompletten rechten Seite einen halben Meter hoch und alles innen drin flog mir chaotisch um die Ohren woraufhin ich entsetzt schrie: „Oh shit! What the fuck was that?!“.
Gluecklicherweise kam ich am anderen Ende wieder raus und der Wagen quaelte sich mit durchdrehenden Reifen langsam den seichten Huegel auf der immer nasser werdenden Strasse hoch. Mir war sofort klar, dass ich entweder dasrechte Vorderrad verloren oder mir den Reifen zerschossen habe, oder die Achse gebrochen habe. Es gab jedenfalls ungute Geraeusche und ein gesittetes Fahrverhalten war dahin. Doch war nicht der Moment um anzuhalten und Schaeden zu begutachten, es lagen immer noch zwei grosse Pfuetzen vor mir und ich konnte den gewonnen Schwung nicht aufgeben. Direkt nach der vierten Pfuetze blieb ich dann schliesslich stecken, da derVan sich mit derrechten Seite des Kotfluegels in eine Wand aus Matsch gefressen hat. Ich dachte mir, dass es nun waere sich mal das Auto genauer anzusehen.

DerReifen war zerplatzt zerplatzt, der Stossdaempfer sah ziemlich mitgenommen aus und die Parallelitaet der Vorderraeder war total im Eimer.
Seelisch etwas angeschlagen ging ich zurueck, Juli entgegen, um ihr beim Pilze tragen zu helfen. Als ich an der verhaengnisvollen Pfuetze vorbeikam, sah ich ihn, den Felsen in der Mitte der Strasse, gut getarnt bedeckt mit Schlamm. Ich habe mich um ehrlich zu sein gewundert, dass nicht mehr kaputt war.

Als war beide wieder am Auto waren, diskutierten wir den Schlachtplan. Irgendjemand mit einem grossen starken Truck musste uns darausziehen. In dem Moment hoerten wir ein Motorengeraeusch aus der Richtung aus der wir kamen und da war er: der grosse starke Truck.
Drin sassen zwei aeltere Kanadier, wir man sie sich aus dem Bilderbuch vorstellt: braune Lederboots, blaue Jeans, ein Basecap auf etwas laengerem Haar, wenige gelbe kreuz und quer stehende Zaehne im Mund und aus der Fahrerekabine duedelte Country-Musik.
Die beiden Jungs haben uns natuerlich ohne Probleme rausgezogen. Dann haber ich schnell dasRad gewechselt, wir sind zu Fred gefahren (gegurkt) und haben unsere Pilze verkauft, uns einen neuen Lagerplatz gesucht und den Tag als mehr oder weniger erfolgreich verbucht.
Allerdings wurde er noch viel erfolgreicher am Abend. Wir bauten uns Camp neben einer Gruppe von Zelten und Vans auf. Unsere direkten Nachbarn waren Alex, Amber und Luna. Ales ist ein 50 jaehriger professioneller Pilzsammler, Architekt und Tulpenpfluecker. Er hat die beiden Ladies auf der Tulpenfarm aufgelesen und trainiert sie nun in der Morcheljagd und spaeter im Jahr dann Pfifferlinge und Kiefernpilze.
Als er von unserer erbaermlichen Ausbeute hoerte, nahm er uns an die Hand und wir alle fuhren noch mal fuer eine kleine Abendrunde in deren Sammelgebiet, um uns mal eine Idee zu geben, nach welchen natuerlichen Zeichen wir Ausschau halten muessen, um die Pilze in Atem beraubenden Mengen finden zu wollen. Und wir fanden sie auch in Atem beraubenden Mengen. Innerhalb einer Stunde habe ich einen grossen Eimer gefuellt mit zwoelf Pfund Fassungsvermoegen, wofuer ich zuvor einen ganzen Tag gebraucht habe. Daswar einfach unglaublich. Die Pilze waren ueberall. Man musste fast gar nicht mehr aufstehen und laufen. Auch stand das Auto nur wenige hundert Meter weg. Voellig aufgeregt und ueberwaeltigt fuhren wir zurueck Camp.
Zum Dank kochten wir den drei ein feines Abendessen und hatten auch sonst jede Menge Spass mit ihnen.

Am naechsten Tag haben wir dann endlich John getroffen und sind gleich zusammen rausgefahren. Ab dem Tag gings dann nur noch aufwaerts, zumindest mit der Sammlerei. Die taeglichen zwoelf Pfund haben sich erst auf 32 hochgeschraubt. Dann auf 40, 45 und dann wenig spaeter kam der Monstertag an dem ich 109 Pfund in neun Stunden rausgeholt habe.
Die negative Seite war, dass sich John ganz schoen veraendert hat. Er hat permanent geflucht, war agressiv und hat seinen Hund geschlagen. Teilweise war jedes dritte Wort im Satz "fuck" oder eine Abwandlung davon (ohne Uebertreibung). Es war einfachy genau das Gegenteil von einer harmonischen Atmosphaere, sodass ich nach einer Woche wieder alleine loszog.
Juli ist etwa zum gleichen Zeitpunkt abgereist. Sie hat sich ein Ziel von tausend Dollar vgesetzt, um weiter reisen zu koennen. Trampender Weise machte sie sich auf den Weg zurueck nach Vancouver, um von dort aus nach Cortez Island zu tingeln, wo sie den Sommer verbringen will.
Wir hatten eine Interessante Zeit zusammen, jedoch haben wir etwas unterschiedliche Herangehensweisen ans Leben und sind aus meiner Sicht immer mal in feurigen Debatten aneinander geeckt.Auch haben wir unterschiedliche Persoenlichkeiten. Sie ist ein ziemlicher hardcore Hippie, mit allem esoterischem Plunder, der so dazu gehoert. Zwar faellt sie nicht unter die Kategorie "nerviger Hippie", die einem auf missionarischer Weise jeglichen Zauber unterjubeln wollen und denken, dass man der Teufel hoechstpersoenlich ist, wenn man eine wissenschaftliche Sichtweise hat und nicht an Astrologie glaubt, doch musste ich manchmal schon tief durchatmen, um meine Akzeptanz gegenueber Andersartigkeit nicht zu verlieren.

Wenn beispielsweise mein wirklich ausgesprochen guter Orientierungssinn angezweifelt wird und dann die Halskette abgenommen und als Wahrheitspendel verwendet wird und die Pendelbewegung am Ende die falsche Richtung angegeben hat und mein Orientierungssinn richtig war - dann war das einer dieser Momente, wo ich tief durchatmen musste.
Doch insgesamt war ich froh, dass sie da war. Wir hatten uns wirklich viel zu erzaehlen und viel voneinander zu lernen, auf einer sehr tiefgehenden emotionalen Basis.

Teil drei

Der erste Pilztag, den ich komplett valleine hatte, lag wahrscheinlich unter den top five der koerperlich haertesten Tage meines Lebens.
Da ich mit meinem Van nicht wie mit John Truck jeden Forstweh reinfahren konnte, entschloss ich mich noch mal etwas genauer die Gegend hinter meinem Camp aus zu kundschaften, wo ich mit Juli die ersten Tage unterwegs war.
Ich schnappte mir drei Eimer, meinen Rucksack mit anderthalb Liter Wasser, einer Apfelsine und einem Apfel und marschierte los.
Die ersten drei Stunden liefs ganz gut, doch spater gabs einfach keine Pilze mehr. Also stellte ich meinen Rucksack am Ende eines Kahlschlags ab, trank noch mal einen ordentlichen Schluck Wasser und lief schnurstracks Richtung Sueden. Eine halbe Stunde lang hat nicht ein einziger Pilz meinen Weg gekreuzt. Ich wurde immer verbissener und sagte zu mir selbst: "Ich werde einfach so lange weiterlaufen, bis ich ein Feld finde.". Also lief ich und lief ich, querfeldein, einige Kilometer durch den Brand und konnte es nicht glauben, dass ich nach anderthalb Stunden nur ca. 20 Pilze gefunden habe, von denen die meisten nur Daumengroesse waren. Die ganze Gegend war einfach viel zu trocken. Da war nicht genug Feuchtigkeit im Boden.
Das beste Indiz dafuer sind Muecken. Wo keine Muecken sind, sind auch keine Pilze. Das ist zwar aetzend, aber eine nicht zu vermeidende Notwendigkeit bei der Morchelernte. Und dort waren wirkloich fast gar keine Muecken.

Ich bog in einen kleinen Canyon ein, wo langsam die Pilze wieder anfingen. Muesahm arbeitete ich mich abwaerts. Die Baeume standen dicht, vielleicht nin Meterabstaenden, und mit zwei Eimern in der Hand eckt man da permanent ueberall an und wird schwarz von der Kohle.
Jeder Pilz wurde hart erkaempft und ich hoffe, dass die reichen Leute, auf deren Teller die Pilze in Europa landen, das auch zu schaetzen wissen.
Ich folgte dem Canyon immer weiter runter, bis ich zu einem Sumpf kam. Dieser Sumpf, war eines der zweischneidigsten Schwerter, die mir in meinem Leben begegnet sind.

Auf der einen Seite standen dort einfach ueberall Pilze rum, und zwar riesige Prachtexemplare. Ich konnte anderthalb Eimer innerhlab von einer Stunde Fuellen - paradiesische Verhaeltnisse fuer einen Pilzsammler.
Auf der anderen Seite gab es dort Muecken. Aber nicht einfach nur Muecken. "Pervers" ist das beste Wort, das mir dazu einfaellt. Da war ohne Unterbechung ein Schwarm, eine massive Wolke Muecken um mich rum und auf mir drauf. Es lag permanent dieses unheimliche, allgegenwaertige Summen in der Luft. Und ich Trottel hatte nur mein T-Shirt als Oberkoerperbedeckung mit. Was fuer ein Fehler!
Da gab es nur eine Sammelmethode: und zwar so schnell wie moeglich. Ich bin wie ein tollwuetiger Hase durch die Baeume gerannt und gehuepft, von Familie zu Familie. Der Handlungsablauf war: vier Pilze abschneiden - Mueckenteppich vom Gesicht wischen. Ich kam an einen Punkt, wo ich mich fragte, ob mir die Pilze das wirklich wert sind.
Mir kamen die wildesten Gedanken. Themen in meinem Kopf schwankten von Blut spenden, zu perfekten Foltermethoden, bei der nackte Menschen einfach nur dort an einen Baum gebunden werden, zu "Wird es wohl Menschen geben, die freiwillig an diesem Sumpf leben wuerden?".
"Was ist mit Tieren? Wie kommt ein Reh auf diese Hoelle klar?" Oder: "Vielleicht sollte ich doch studieren. Wie waers mit Biochemie? Vielleicht koennte ich eine Methode entwickeln alle Muecken auf der Welt auszurotten. Waeren die oekologischen Foolgen vertretbar?".

7.6.11

nur kurz

hi folks,
ich woll nur kurz bescheid geben, dass es mir supe4r geht und ich seit 9 tagen im bush bin und pilze sammel. bin dieses jahr einer der besten sammler und es laeuft wie es nicht besser lauifen koennte. mein geburtstag war ein ziemli9ch abenteuerlicher tag. nicht viel gefeir aber so krass trotzdem.
weiss nich, wenn ich das naechste mnal internet habe. muss noch ne menge emails scghreivben.
hoffentlicvh bald mehr. spaetestens dann in dawson city in 2 wochen oder so.

gruss felix