14.2.10

Canada 2 - Whitehorse/ Fort Sankt John

So, wie war nun also das Trampen nach Whitehorse? Genial! Ich stand fuer die ueber 2000km gerade mal zweieinhalb Tage an der Strasse und habe insgesamt so ca. 4-5 Stunden gewartet. Wie Andi gesagt hat: „wenn dich erst mal jemand aufsammelt, dann gleich fuer hunderte Kilometer“.
Das Kaelteste was ich auf dem Trip hatte, waren minus 28 Grad, die laengste Fahrt mit einem Indianer (ueber 1000km) und das Coolste ein 2 Tagesaufenthalt in Beaverlodge bei zwei Couchsurf-Maedels, wo ich mit fast allen Annehmlichkeiten des Lebens nur so behangen wurde, wie ein Weihnachtsbaum mit viel Lametta und Kugeln.
Dort sind mir dann einige Unterschiede zwischen unseren Kulturen aufgefallen. Ich sass mit Tatum und ihren Eltern im Wohnzimmer und wir unterhielten uns ueber dies und jenes ueber Stunden hinweg. Und nach einiger Zeit wurde mir bewusst, wie anders dieses Gespraech war als sonst wo. Nicht dass wir inhaltlich andere Dinge behandelt haetten, aber mir wurde klar, dass ich zu jedem meiner Gespraechspartner mindestens 4 Meter Abstand hatte. Jeder sass an einem anderen Ende des Raumes. Vielleicht wars ja auch nur Zufall doch mein Gedanke dazu war, dass Menschen die in einem Land leben, wo die naechsten Nachbarn teilweise hunderte Kilometer von einander entfernt sind, sich auch dementsprechend der persoenliche Privatabstand erheblich vergroessert. Wo viel Platz ist, kann man weiter von einander wegruecken. Das hat Vor- und Nachteile: einerseits muss man sehr laut reden, damit der andere einen versteht, andererseits kann man ganz genuesslich pupsen, ohne dass das Gegenueber es merkt, denn in der Zeit in welcher der Pups zum Gespraechspartner wandern koennte, hat man ihn bereits selber weggeschnueffelt.
Eine interessante Zeit hatte ich auch mit Tom, ein aelterer Herr, der mich von Watson Lake nach Whitehorse mitgenommen hat. Ich mag es Leute nach ihrem Leben auszufragen, was sie machen, wieviel Geld sie verdienen, ob sie zufrieden sind mit ihrem Leben. Das hab ich immer getan und ist (vielleicht unbewusst und nun verstaerkt offensichtlich geworden) sicherlich ein betraechtlicher Teil an Wertigkeit meiner ganzen Reiserei: auf der Suche nach dem eigenen Glueck befrage ich Menschen auf der ganzen Welt nach dem Ihrigen, schaue in ihre Gesichter und schaeze ihre Zufriedenheit ein. Welche Tips haben mir arme Menschen zu geben und was fuer welche Reiche. Ich hoffe, dass mich das weiser macht und sich die Kompassnadel meines Lebens in Zukunft langsam auf eine Richtung kalibriert.

Wie schon einige reiche Leute zuvor war Johns Fazit ueber sein Leben wie folgt: „Wenn ich 500 Dollar am Tag verdiene (ca. 350 Euro) fuehle ich mich deutlich unterbezahlt. Deswegen mache ich meinen jetzigen Job ja auch fuer 750 Dollar. Ich habe ein Haus, 3 Autos, ein Boot, 3 Schneemobile, 1 Quad und vieles mehr. Dafuer musste ich viele Jahre lang 70 Stunden die Woche arbeiten. Und wars das alles wert? Nein! Was bringt einem das viele Geld und die vielen Spielsachen, wenn man keine Zeit hat es auszugeben und zu spielen. Jetzt bin ich fast Mitte Sechzig und haette ich die Wahl, wuerde ich alles von Anfang an anders machen.“
Indien – Kanada, von einem Extrem ins naechste. Die Ballanz ist entscheidend. Doch wo liegt sie? Bei jedem ist sie anders. Und bei mir? Keine Ahnung. Und so dreht sich die Nadel weiter im Kreis, zwar schon langsamer werdend, doch dreht sie sich noch.

Ich habe Watson Lake erwaehnt. Dort habe ich eine Nacht bei Couchsurfern geschlafen. Prinzipiell nicht der Rede wert, doch was der Rede wert war, war die einzige Touristenattraktion die dieses Dorf zu bieten hatte. Als 1945 rum ein Soldat beim Bau des Alaskahighways mitgearbeitet hat (in weniger als einem Jahr wurden so weit ich weiss von der Armee um die 2000km Highway gebaut), nagelte er sein Autokennzeichen an einen Pfahl. Ich will nichts Falsches erzaehlen aber ich glaube so war die Geschichte. Jedenfalls haben andere es ihm gleich getan. Und so hat sich die Sache bis heute auf einen Schilderwald ausgeweitet mit ca. 65.000 Exemplaren aus aller Welt. Dort findet man wirklich alles: geklaute Ortseingangsschilder aus nahezu jeder groesseren Stadt, Autokennzeichen, Privatschilder, Entfernungsangaben und alles aus sehr vielen Laendern dieser Welt. Jeder Reisende bring da sein legal oder illegal erworbenes Schild mit und nagelt es irgendwo hin. Sogar ein Ortsschild von Tonndorf aus Thueringen oder ein altes DDR-Schild mit Aufschrift Karl-Marx-Stadt habe ich gefunden. Und natuerlich auch Erfurt und Jena.
Als ich dann nun in Whitehorse angekommen bin, hat mich Andi mit dem Auto abgeholt und wir sind direkt zu Hans Gatt Grundstueck gefahren, wo auch Andi wohnt – ein Grundstueck, dass 1km lang und viele hundert Meter breit ist, direkt am Yukon gelegen mit Wald bewachsen. Dazu ein rieser Hundeyard mit fast 50 liebenswerten 4-Beinern, von denen jetzt gerade einige mit Hans die Yukon Quest rennen.

Andi hat sich echt veraendert. Nicht nur vom Aeusseren (eine ziemlich coole Hippiefrisur) sondern auch seine Art. Er ist relaxter geworden und noch mehr zum Hippie-Aussteiger mutiert, als sich dass schon vor 2 Jahren abgezeichnet hat. Wir kriegen ihn schon noch komplett auf unsere Seite nicht wahr Jungs und Maedels? 
Er arbeitet jeden Tag fast ununterbrochen seit September wirklich hart fuer 400 Dollar im Monat, lebt in einer vielleicht 10 Quadratmeter Blockhuette, die mit Holzofen geheizt wird und will gar nicht mehr als das. Er schaufelt den ganzen Tag Hundescheisse durch die Gegend, fuehrt sie mit dem Schlitten aus und ist so tierlieb, wie ich ihn nie eingeschaetzt haette. Zudem hat er einige Einstellungen erworben, die mehr an Osho als an Andi erinnern. War wirklich witzig zu sehen.
In Gespraechen mit ihm habe ich dann das erste Mal Dinge ausgesprochen, die ich vorher nur gedacht habe. Fragen, auf die ich bisher keine Antwort hatte, die aber schon seit Jahren in meinem Kopf rumspuken und von Ahnungen begleitet waren.
Dabei handelt es sich zum Beispiel um Folgendes. Ich erinnere mich, wie ich in meinen Teenagejahren mit vielleicht 13 oder 14 angefangen habe gewisse Theorien aufzustellen, wie mein Leben wohl am Besten verlaufen wuerde. Zu jener Zeit war ich ziemlich angepisst von vielen Dingen wie sie verlaufen sind. Ein Hauptfaktor hat dabei die Schule gespielt. Ich denke ich habe meine inneren Konflikte ganz gut vertuscht, sodass nicht viele davon Wind bekommen haben. Doch die Wahrheit ist, dass ich die Schule mehr gehasst habe als alles andere in meinem Leben. Hatte nichts damit zu tun, dass ich leistungsmaessig schlecht war oder keine Freunde hatte oder arge Probleme mit Lehrern. Aber einfach zu viele Dinge sind mir instinktiv zuwider gewesen. Haben gegen meine innersten moralischen Vorstellungen gesprochen und mich auf eine Art von Leben vorbereitet, dass mir total falsch, Unglueck bringend und gefaehrlich erschien. Ein Leben mit Wertevorstellungen und Erwartungen und ethischen und moralischen Grundsaetzen, die meines innersten Kerns, meiner Seele, in einigen essentiellen Teilen widersprachen. Das hat mich zu teilweise extremen Ueberzeugungen gefuehrt.
Ich dachte eine gute Loesung waere zu fliehen. Irgendwo weit weg in die Wildnis von Kanada beispielsweise und dort ein Leben als Einsiedler oder mit meiner Squa zu fuehren und zu jagen und zu fischen und viel Sex zu haben usw. Ein Aussteigerleben, wie es im Bilderbuche steht, um all den Dingen zu entgehen, die mich als gesetzter Steuerzahlender Buerger der Bundeesrepublik Deutschland erwarten wuerde.
Fuer viele Jahre war genau das mein Plan und nur ausgewaehlten Menschen habe ich es erzaehlt. So kam es, dass das erste Buch, das ich mir jemals gekauft habe den Titel trug: „Aussteigen – aber richtig!“ Ich war nie ein grosser Leser, doch zur Verwirklichung meines Lebensplans erschien mir dieses Buch wuerdig als das erste selbst gekaufte meines Lebens zu werden.
Aus all diesen Dingen heraus hat sich eine derartige im Untergrund schwelende Abscheu gegen die sich mir umgebende Welt aufgebaut (wovon ich uebrigens immer noch ueberzeugt bin, dass diese Abscheu in vielen Teilen berechtigt ist), dass ich kein anderes Gefuehl und keinen sich dem entgegen strebenden Gedanken zugelassen habe. Ueber Jahre hinweg war meine Einstellung allem gegenueber ziemlich festgefahren.
Doch es kamen Zweifel. Ist das der einzige Weg, gibt es nicht noch andere Loesungen? Lange habe ich aber die Zweifel ignoriert und nichts anderes zugelassen. Irgendwie dachte ich, ich muesste mir und meinen Einstellungen treu bleiben. Alles andere waere mir wie ein Zugestaendnis an die von mir verabscheute Welt vorgekommen, ein sich Ergeben in den grossen Strom.
Genau das hat sich geaendert. Die vielen hunderte von Menschen mit denen ich gesprochen habe und die mir ihre Geschichte erzaehlt haben, trugen bestimmt ihren gewichtigen Teil zu dieser Veraenderung bei. Auf jeden Fall habe ich Andi gegenueber erstmals ausgesprochen, was ich schon lange dachte: Diese Flucht ins andere Extrem ist wahrscheinlich doch nicht das, was ich will. Ueberall streben natuerliche Systeme einen Ausgleich an, ein Gleichgewicht oder Ballanz und vielleicht waere ein Leben ins andere Extrem ein Stueck weit der Versuch in Richtung Ballanz aus weit entfernter Sicht betrachtet. Aber fuer mich selbst, in meiner kleinen Welt, habe ich realisiert, dass ich das wahrscheinlich nicht will. Ich kann nicht ohne Menschen um mich herum leben und ich will auch nicht fluechten, nicht zwangslaeufig.
Irgendwie hat sich meine „grimmige Sorgenfalten-Stimmung“ in eine „verschmitzte hochgezogene Mundewinkel-Stimmung“ gewandelt. Noch ist mir nicht ganz klar Wie, Was, Warum und Ob ueberhaupt, aber das kommt sicher noch.
Nach einer Woche in Whitehorse und ein Bisschen Hilfe fuer Andi mit den Hunden merkte ich, dass die Jobs, die es dort gibt zu unterbezahlt sind, um eine Wohnung oder aehnliches zu mieten und dort den Winter zu verbringen. Also habe ich Calvin angerufen, ein ziemlich netter Typ, der mich ein kleines Stueck mitgenommen hat und mir seine Visitenkarte gab falls ich einen Job suchen wuerde.
Ich rief ihn an und 2 Tage spaeter war ich wieder in Fort Sankt John, bei Calvin im Haus. Diesmal habe ich den Greyhoundbus genommen, weil ich so schnell wie moeglich ankommen musste. Und schwuppdiwupp stecke ich in einem Arbeitsanzug wie ihn die Oel-Arbeiter verwenden und putze den Laydown-Truck, mit dem ich die naechsten Tage arbeiten sollte.
Celvin ist ein typischer nordamerikanischer Cowboy. Er hat ne Menge Pferde, macht Rodeo und Lassowerfen, liebt Country-Musik, Trucks und Landwirtschaft – eben der typische Redneck (uebersetzt so viel wie Rotnacken – Bauern arbeiten auf dem Feld und bekommen einen sonnengabrannten roten Nacken). Er meinte ich wuerde in der Gegend hier viel sympatischer rueber kommen, wenn ich auch wie ein Redneck ausehe, ich solle mir das also die Haare abschneiden und mich rasieren, weil sonst alle denke, dass ich ein Hippie bin (hihi, hab ihm nicht gesagt, dass ich mich als genau das sehe). So bin ich jetzt nun also im Gesicht wieder jungfraeulich (wie seit ueber 5 Jahren schon nicht mehr) und mein Haupthaar verottet im Muelleimer. Das witzige an Celvin ist, dass er halb Indianer ist und trotzdem diese Cowboy-Schiene faehrt.
Nachdem ich nun also auch zum Redneck mutiert bin, stand ich ein paar Stunden spaeter vor der ersten Rig (Land-Oelbohrplattform) und bereite den Laydown-Truck (Lastwagen mit einer Art Krahnvorrichtung auf der Ladeflaeche) fuer den Arbeitseinsatz vor. Tja, und die folgenden 32 Stunden habe ich abwechselnd mit einem anderen Typen im 4-Stunden Takt Borgestaenge mit dem Krahn vom Bohrloch zu den Ablegerstaendern gefahren.
Das ist einer der interessantesten Jobs, die ich je gemacht habe (haha, so viel gearbeitet habe ich ja noch gar nicht). Auf der Rig findet man ebenso viel Oel wie Testosteron aber die Jungs dort sind voll in Ordnung. Wer „Armagedon“ gesehen hat, der hat ne Vorstellung, was fuer Maenner dort arbeiten. Genau solche! Und das sind wirklich sauharte Kerle. Manche haben schon mal ueber 48 Stunden nonstop ohne Pause und Schlaf gearbeitet. Und das heisst im Detail ununterbrochen Zentner schwere Maschinen hin und her und damit dann Tonnen schwere Bohrgestaenge bewegen. Ein hochgefaehrlicher Job, fuer den man wirklich Muskeln und hoechste Konzentration braucht. Zudem kommt die staendige Gefahr von H2S-Gas (Schwefelwasserstoff) niedergestreckt zu werden und zu sterben. Aber dafuer werden die Typen auch gut bezahlt.
Ich bekomme immerhin 15 Dollar die Stunde und wenn ich arbeite, werde ich 24 Stunden bezahlt und wohne zudem kostenlos bei Calvin und kann die Autos benutzen.
Vor ein paar Tagem sind Calvin und Ich von einem Job wieder gekommen, bei dem wir von einer Rig 7 Stunden noerdlich, bei Fort Nelson, einen Bohrkern zur Analyse nach Calgary transportierten. Nicht das der Pickup-Truck schon das groesste Auto (wenn man es noch Auto nennen kann) gewesen waere. Nein, es hing auch noch ein 10 Meter langer Anhaenger hinter dran, auf dem 3 Tonnen Bohrkerne rumchillten.
Eigentlich sollte ich mit Ron fahren, ein Typ den Celvin immer mal einstellt wenns viel arbeit gibt, aber Ron war betrunken und ich hab ihm gesagt, dass ich nicht fahren werde, wenn er trinkt. Also ist er kurtz ausgerastet, hat fast den Trailer in den Graben gesetzt und Celvin hat ihn kurzerhand rausgeschmissen. Ich mache also neben den Lay-down-Jobs auch alle moeglichen anderen Dinge, die so zu erledigen sind.

Gestern habe ich mein erstes Sozialisationsprgramm ausserhalb des Arbeitsumfeldes gestartet. Ich habe mich ins Auto gesetzt, bin in die Stadt gefahren, nach einem guten Pub gefragt und landete im „Fitzgeraldis“, einer Hotelbar in Downtown. Dort bin ich auf Darren und seine Freundin getroffen, mit denen ich dann die Opening Ceremony der Olympischen Spiele angeschaut und Bier getrunken habe. Darren ist ein Geschaeftspartner von Celvin, den ich mal fluechtig kennen gelernt habe. Eigentlich sind Bars ja nicht so mein Ding (sind fuer mich aehnliche Geldvernichtsungsmaschinen wie Zigaretten) aber irgendwo muss man ja anfangen. Und es hat sich mehr als gelohnt.
Darren meinte, der „Looney Toons“-Nightclub ist der beste Ort fuer junge Leute. Deswegen entschied ich mich kuerzerhand die superhubsche Kellnerin dorthin einzuladen. Sie sagte, sie gehe nach Arbeitsschluss sowieso dort hin und man koenne sich dort dann wieder sehen.
Nachdem sich der Club so richtig gefuellt hat wurde es interessant. Ich habe mich als stillen Beobachter im Hintergrund gesehen um erst mal die Lage abzuchecken. Ich wusste ja nicht wie die Tanzkultur hier im Vergleich zur Deutschen ist. Also hiess es unauffaellig in einer Ecke sitzen, brav mein Waesserchen trinken (mehr Alkohol haette nur meine Urteilsfaehigkeit eingeschraenkt) und Augen und Ohren offen halten.
Wie man das vielleicht aus amerikanischen Filmen kennt, wird hier deutlich koerperbetonter getanzt, auch mit fremden Menschen. So wie ich das gesehen habe, wird der Club noch viel mehr als Jagdgruende wahrgenommen als in Deutschland. An jeder Ecke wird wird gebuhlt, werden grosse Brueste in engen Dekoltees schwungvoll vor den Maennchen spazieren gefuehrt, wird mit eindeutigen Gesten und Mimiken geworben und abgelehnt. Alles laeuft ne Nummer „cooler“ ab.
Nachdem ich mich auf die kleinen aber feinen Unterschiede des Nachtlebens kalibriert habe, war der folgerichtige naechste Schritt die Tanzflaeche zu erobern. Dazu waehlte ich bewusst einen fruehen Zeitpunkt, als nur ein oder zwei andere Maennchen umgeben von mindestens 30 Weibchen umherwirbelten. Dies wuerde Selbstbewusstsein und Furchtlosigkeit praesentieren, zwei Gueter, die fuer den Erfolg bei der Jagd hoch im Kurs stehen.
Diese theoretischen Gedankenkonstrukte vor und waehrend meines Handelns wurden bei der Ausfuehrung dann mit den von mir erwarteten Reaktionen erwiedert. Ich hatte zunaechst noch teilweise arge Probleme mit der Interpretation einiger Handlungsweisen einiger Weibchen, die fuer meine Verhaeltnisse zu obszoen waren. Mir wurde bestimmt 20 Mal an den Arsch gegriffen, drauf gehauen und drueber gestrichen . Doch nachdem ich mein instinktiv-animalisch veranlagtes Kleinhirn, welches mir sofort befahl: „Mit nach Hause nehmen! Mit nach Hause nehmen!“, eine Stufe runter geschalten habe und die Fuehrung der Grosshirnrinde ueberliess, welche die Situationen mit mehr Rationalitaet und Intelektualitaet bewertete, kam ich einigermassen drauf klar. Ich wusste ja wie gesagt noch nicht genau, wie solche Anzueglichkeiten aufzugreifen sind.
Juli, die Kellnerin habe ich an dem Abend nicht mehr getroffen, doch das war mir auch total egal als ich dieses suesse Maedel reinkommen sah. Die einzige Frau im Haus, die ein Bisschen Hippie maessig aussah, nicht wie die meisten anderen, die teilweise zu billig angezogen waren und zu viel Schminke benutzten oder die Cougars (Bergloewen im Tierreich; reife Frauen ab 40, die unschuldige junge Burschen abschleppen wollen im Menschenreich). Und es gibt wirklich ne Menge Cougars in den Clubs. Das ist eben auch ein Unterschied zu Deutschland: hier gehen nicht nur die jungen Leute tanzen, sondern auch Leute bis 60, die sich eben dann ein 20 jaehriges Spielzeug mit nach Hause nehmen.
Jedenfalls habe ich dieses Maedchen durch 5 Menschengruppengruppen hindurch gesehen und wir blickten uns sofort in die Augen. Das war fast wie Liebe auf den ersten Blick. Sogleich war ich voller Aufregung: „Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gooooott! Ich muss sie ansprechen – aber wie? Mir kommt bestimmt jemand zuvor – oh mein Gooooott!“ Noch ein Schluck Mut antrinken (mit Wasser, haha) und ab, wieder auf den dancefloor. Ich tanzte mich langsam an sie heran, liess irgendeinen dummen Spruch ab, sie lachte und schon tanzten wir zusammen. Allerdings war das schon mehr Sex mit Klamotten als nur Tanzen. Und wieder musste ich mein Kleinhirn im Zaum halten. Ich wollte sie ja nicht verschrecken. Also war hoechste Konzentration und Geduld angesagt. Das war gar nicht so leicht. Die hat losgelegt, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe. Sie rieb ihr Becken an meinem, fasste mir an den Po, presste ihre Brueste an die meinen und kam immer mal wieder mit ihrem Gesicht bis auf wenige Zentimeter an meines heran, sodass ich dachte sie woellte mich kuessen, bis sie ploetzlich wieder abliess. Das ist dieses Spiel, das erotische Herantasten das meine, wie ich es in Deutschland so noch nicht erlebt habe.
Doch aus Spass wurde Spiel und aus Spiel wurde Ernst (nein – Ernst ist heute nicht 8 Jahre alt) und aus Ernst wurde ein Kuss. Und dann noch einer und noch einer und dann fragte sie mich, ob ich nicht mit zu ihr nach Hause gehen will. Na und was glaubt ihr habe ich wohl gemacht ? Ich habe sofort die Herrschaft des Neocortex gestuerzt.
Kata ist ihr Name und sie reiste die letzten 2 Jahre durch Australien, Neuseeland und Asien und arbeitet jetzt hier in Fort Sankt John fuer 2 Monate um Geld fuers weitere Reisen zu sparen, so wie ich. Im Sommer will sie zum Yukon fahren, um dort outdoor maessig aktiv werden, so wie ich. Waere doch unfassbar toll, wenn sich da was ergibt.
Gestern war ich mit Celvin und seiner Familie auf einem Rodeo Contest. Ich war nur beim Roping (2 Reiter versuchen eine Kuh mit Lassos einzufangen) dabei. Das war schon ganz interessant. An einer Atrappe habe ich mich auch mal ausprobiert. Halluluja, das ist vielleicht schwer!!!
Wenn ich so auf die letzten Wochen zurueck blicke, dann hat sich mein Leben gerade in eine Achterbahnfahrt verwandelt. Aber in eine spassige!!! Sehr viele neue Situationen, Erfahrungen und Leute. Und hier mach ich jetzt Schluss fuer heute.

Canada 2 - Whitehorse/ Fort Sankt John

So, wie war nun also das Trampen nach Whitehorse? Genial! Ich stand fuer die ueber 2000km gerade mal zweieinhalb Tage an der Strasse und habe insgesamt so ca. 4-5 Stunden gewartet. Wie Andi gesagt hat: „wenn dich erst mal jemand aufsammelt, dann gleich fuer hunderte Kilometer“.
Das Kaelteste was ich auf dem Trip hatte, waren minus 28 Grad, die laengste Fahrt mit einem Indianer (ueber 1000km) und das Coolste ein 2 Tagesaufenthalt in Beaverlodge bei zwei Couchsurf-Maedels, wo ich mit fast allen Annehmlichkeiten des Lebens nur so behangen wurde, wie ein Weihnachtsbaum mit viel Lametta und Kugeln.
Dort sind mir dann einige Unterschiede zwischen unseren Kulturen aufgefallen. Ich sass mit Tatum und ihren Eltern im Wohnzimmer und wir unterhielten uns ueber dies und jenes ueber Stunden hinweg. Und nach einiger Zeit wurde mir bewusst, wie anders dieses Gespraech war als sonst wo. Nicht dass wir inhaltlich andere Dinge behandelt haetten, aber mir wurde klar, dass ich zu jedem meiner Gespraechspartner mindestens 4 Meter Abstand hatte. Jeder sass an einem anderen Ende des Raumes. Vielleicht wars ja auch nur Zufall doch mein Gedanke dazu war, dass Menschen die in einem Land leben, wo die naechsten Nachbarn teilweise hunderte Kilometer von einander entfernt sind, sich auch dementsprechend der persoenliche Privatabstand erheblich vergroessert. Wo viel Platz ist, kann man weiter von einander wegruecken. Das hat Vor- und Nachteile: einerseits muss man sehr laut reden, damit der andere einen versteht, andererseits kann man ganz genuesslich pupsen, ohne dass das Gegenueber es merkt, denn in der Zeit in welcher der Pups zum Gespraechspartner wandern koennte, hat man ihn bereits selber weggeschnueffelt.
Eine interessante Zeit hatte ich auch mit Tom, ein aelterer Herr, der mich von Watson Lake nach Whitehorse mitgenommen hat. Ich mag es Leute nach ihrem Leben auszufragen, was sie machen, wieviel Geld sie verdienen, ob sie zufrieden sind mit ihrem Leben. Das hab ich immer getan und ist (vielleicht unbewusst und nun verstaerkt offensichtlich geworden) sicherlich ein betraechtlicher Teil an Wertigkeit meiner ganzen Reiserei: auf der Suche nach dem eigenen Glueck befrage ich Menschen auf der ganzen Welt nach dem Ihrigen, schaue in ihre Gesichter und schaeze ihre Zufriedenheit ein. Welche Tips haben mir arme Menschen zu geben und was fuer welche Reiche. Ich hoffe, dass mich das weiser macht und sich die Kompassnadel meines Lebens in Zukunft langsam auf eine Richtung kalibriert.

Wie schon einige reiche Leute zuvor war Johns Fazit ueber sein Leben wie folgt: „Wenn ich 500 Dollar am Tag verdiene (ca. 350 Euro) fuehle ich mich deutlich unterbezahlt. Deswegen mache ich meinen jetzigen Job ja auch fuer 750 Dollar. Ich habe ein Haus, 3 Autos, ein Boot, 3 Schneemobile, 1 Quad und vieles mehr. Dafuer musste ich viele Jahre lang 70 Stunden die Woche arbeiten. Und wars das alles wert? Nein! Was bringt einem das viele Geld und die vielen Spielsachen, wenn man keine Zeit hat es auszugeben und zu spielen. Jetzt bin ich fast Mitte Sechzig und haette ich die Wahl, wuerde ich alles von Anfang an anders machen.“
Indien – Kanada, von einem Extrem ins naechste. Die Ballanz ist entscheidend. Doch wo liegt sie? Bei jedem ist sie anders. Und bei mir? Keine Ahnung. Und so dreht sich die Nadel weiter im Kreis, zwar schon langsamer werdend, doch dreht sie sich noch.

Ich habe Watson Lake erwaehnt. Dort habe ich eine Nacht bei Couchsurfern geschlafen. Prinzipiell nicht der Rede wert, doch was der Rede wert war, war die einzige Touristenattraktion die dieses Dorf zu bieten hatte. Als 1945 rum ein Soldat beim Bau des Alaskahighways mitgearbeitet hat (in weniger als einem Jahr wurden so weit ich weiss von der Armee um die 2000km Highway gebaut), nagelte er sein Autokennzeichen an einen Pfahl. Ich will nichts Falsches erzaehlen aber ich glaube so war die Geschichte. Jedenfalls haben andere es ihm gleich getan. Und so hat sich die Sache bis heute auf einen Schilderwald ausgeweitet mit ca. 65.000 Exemplaren aus aller Welt. Dort findet man wirklich alles: geklaute Ortseingangsschilder aus nahezu jeder groesseren Stadt, Autokennzeichen, Privatschilder, Entfernungsangaben und alles aus sehr vielen Laendern dieser Welt. Jeder Reisende bring da sein legal oder illegal erworbenes Schild mit und nagelt es irgendwo hin. Sogar ein Ortsschild von Tonndorf aus Thueringen oder ein altes DDR-Schild mit Aufschrift Karl-Marx-Stadt habe ich gefunden. Und natuerlich auch Erfurt und Jena.
Als ich dann nun in Whitehorse angekommen bin, hat mich Andi mit dem Auto abgeholt und wir sind direkt zu Hans Gatt Grundstueck gefahren, wo auch Andi wohnt – ein Grundstueck, dass 1km lang und viele hundert Meter breit ist, direkt am Yukon gelegen mit Wald bewachsen. Dazu ein rieser Hundeyard mit fast 50 liebenswerten 4-Beinern, von denen jetzt gerade einige mit Hans die Yukon Quest rennen.

Andi hat sich echt veraendert. Nicht nur vom Aeusseren (eine ziemlich coole Hippiefrisur) sondern auch seine Art. Er ist relaxter geworden und noch mehr zum Hippie-Aussteiger mutiert, als sich dass schon vor 2 Jahren abgezeichnet hat. Wir kriegen ihn schon noch komplett auf unsere Seite nicht wahr Jungs und Maedels? 
Er arbeitet jeden Tag fast ununterbrochen seit September wirklich hart fuer 400 Dollar im Monat, lebt in einer vielleicht 10 Quadratmeter Blockhuette, die mit Holzofen geheizt wird und will gar nicht mehr als das. Er schaufelt den ganzen Tag Hundescheisse durch die Gegend, fuehrt sie mit dem Schlitten aus und ist so tierlieb, wie ich ihn nie eingeschaetzt haette. Zudem hat er einige Einstellungen erworben, die mehr an Osho als an Andi erinnern. War wirklich witzig zu sehen.
In Gespraechen mit ihm habe ich dann das erste Mal Dinge ausgesprochen, die ich vorher nur gedacht habe. Fragen, auf die ich bisher keine Antwort hatte, die aber schon seit Jahren in meinem Kopf rumspuken und von Ahnungen begleitet waren.
Dabei handelt es sich zum Beispiel um Folgendes. Ich erinnere mich, wie ich in meinen Teenagejahren mit vielleicht 13 oder 14 angefangen habe gewisse Theorien aufzustellen, wie mein Leben wohl am Besten verlaufen wuerde. Zu jener Zeit war ich ziemlich angepisst von vielen Dingen wie sie verlaufen sind. Ein Hauptfaktor hat dabei die Schule gespielt. Ich denke ich habe meine inneren Konflikte ganz gut vertuscht, sodass nicht viele davon Wind bekommen haben. Doch die Wahrheit ist, dass ich die Schule mehr gehasst habe als alles andere in meinem Leben. Hatte nichts damit zu tun, dass ich leistungsmaessig schlecht war oder keine Freunde hatte oder arge Probleme mit Lehrern. Aber einfach zu viele Dinge sind mir instinktiv zuwider gewesen. Haben gegen meine innersten moralischen Vorstellungen gesprochen und mich auf eine Art von Leben vorbereitet, dass mir total falsch, Unglueck bringend und gefaehrlich erschien. Ein Leben mit Wertevorstellungen und Erwartungen und ethischen und moralischen Grundsaetzen, die meines innersten Kerns, meiner Seele, in einigen essentiellen Teilen widersprachen. Das hat mich zu teilweise extremen Ueberzeugungen gefuehrt.
Ich dachte eine gute Loesung waere zu fliehen. Irgendwo weit weg in die Wildnis von Kanada beispielsweise und dort ein Leben als Einsiedler oder mit meiner Squa zu fuehren und zu jagen und zu fischen und viel Sex zu haben usw. Ein Aussteigerleben, wie es im Bilderbuche steht, um all den Dingen zu entgehen, die mich als gesetzter Steuerzahlender Buerger der Bundeesrepublik Deutschland erwarten wuerde.
Fuer viele Jahre war genau das mein Plan und nur ausgewaehlten Menschen habe ich es erzaehlt. So kam es, dass das erste Buch, das ich mir jemals gekauft habe den Titel trug: „Aussteigen – aber richtig!“ Ich war nie ein grosser Leser, doch zur Verwirklichung meines Lebensplans erschien mir dieses Buch wuerdig als das erste selbst gekaufte meines Lebens zu werden.
Aus all diesen Dingen heraus hat sich eine derartige im Untergrund schwelende Abscheu gegen die sich mir umgebende Welt aufgebaut (wovon ich uebrigens immer noch ueberzeugt bin, dass diese Abscheu in vielen Teilen berechtigt ist), dass ich kein anderes Gefuehl und keinen sich dem entgegen strebenden Gedanken zugelassen habe. Ueber Jahre hinweg war meine Einstellung allem gegenueber ziemlich festgefahren.
Doch es kamen Zweifel. Ist das der einzige Weg, gibt es nicht noch andere Loesungen? Lange habe ich aber die Zweifel ignoriert und nichts anderes zugelassen. Irgendwie dachte ich, ich muesste mir und meinen Einstellungen treu bleiben. Alles andere waere mir wie ein Zugestaendnis an die von mir verabscheute Welt vorgekommen, ein sich Ergeben in den grossen Strom.
Genau das hat sich geaendert. Die vielen hunderte von Menschen mit denen ich gesprochen habe und die mir ihre Geschichte erzaehlt haben, trugen bestimmt ihren gewichtigen Teil zu dieser Veraenderung bei. Auf jeden Fall habe ich Andi gegenueber erstmals ausgesprochen, was ich schon lange dachte: Diese Flucht ins andere Extrem ist wahrscheinlich doch nicht das, was ich will. Ueberall streben natuerliche Systeme einen Ausgleich an, ein Gleichgewicht oder Ballanz und vielleicht waere ein Leben ins andere Extrem ein Stueck weit der Versuch in Richtung Ballanz aus weit entfernter Sicht betrachtet. Aber fuer mich selbst, in meiner kleinen Welt, habe ich realisiert, dass ich das wahrscheinlich nicht will. Ich kann nicht ohne Menschen um mich herum leben und ich will auch nicht fluechten, nicht zwangslaeufig.
Irgendwie hat sich meine „grimmige Sorgenfalten-Stimmung“ in eine „verschmitzte hochgezogene Mundewinkel-Stimmung“ gewandelt. Noch ist mir nicht ganz klar Wie, Was, Warum und Ob ueberhaupt, aber das kommt sicher noch.
Nach einer Woche in Whitehorse und ein Bisschen Hilfe fuer Andi mit den Hunden merkte ich, dass die Jobs, die es dort gibt zu unterbezahlt sind, um eine Wohnung oder aehnliches zu mieten und dort den Winter zu verbringen. Also habe ich Calvin angerufen, ein ziemlich netter Typ, der mich ein kleines Stueck mitgenommen hat und mir seine Visitenkarte gab falls ich einen Job suchen wuerde.
Ich rief ihn an und 2 Tage spaeter war ich wieder in Fort Sankt John, bei Calvin im Haus. Diesmal habe ich den Greyhoundbus genommen, weil ich so schnell wie moeglich ankommen musste. Und schwuppdiwupp stecke ich in einem Arbeitsanzug wie ihn die Oel-Arbeiter verwenden und putze den Laydown-Truck, mit dem ich die naechsten Tage arbeiten sollte.
Celvin ist ein typischer nordamerikanischer Cowboy. Er hat ne Menge Pferde, macht Rodeo und Lassowerfen, liebt Country-Musik, Trucks und Landwirtschaft – eben der typische Redneck (uebersetzt so viel wie Rotnacken – Bauern arbeiten auf dem Feld und bekommen einen sonnengabrannten roten Nacken). Er meinte ich wuerde in der Gegend hier viel sympatischer rueber kommen, wenn ich auch wie ein Redneck ausehe, ich solle mir das also die Haare abschneiden und mich rasieren, weil sonst alle denke, dass ich ein Hippie bin (hihi, hab ihm nicht gesagt, dass ich mich als genau das sehe). So bin ich jetzt nun also im Gesicht wieder jungfraeulich (wie seit ueber 5 Jahren schon nicht mehr) und mein Haupthaar verottet im Muelleimer. Das witzige an Celvin ist, dass er halb Indianer ist und trotzdem diese Cowboy-Schiene faehrt.
Nachdem ich nun also auch zum Redneck mutiert bin, stand ich ein paar Stunden spaeter vor der ersten Rig (Land-Oelbohrplattform) und bereite den Laydown-Truck (Lastwagen mit einer Art Krahnvorrichtung auf der Ladeflaeche) fuer den Arbeitseinsatz vor. Tja, und die folgenden 32 Stunden habe ich abwechselnd mit einem anderen Typen im 4-Stunden Takt Borgestaenge mit dem Krahn vom Bohrloch zu den Ablegerstaendern gefahren.
Das ist einer der interessantesten Jobs, die ich je gemacht habe (haha, so viel gearbeitet habe ich ja noch gar nicht). Auf der Rig findet man ebenso viel Oel wie Testosteron aber die Jungs dort sind voll in Ordnung. Wer „Armagedon“ gesehen hat, der hat ne Vorstellung, was fuer Maenner dort arbeiten. Genau solche! Und das sind wirklich sauharte Kerle. Manche haben schon mal ueber 48 Stunden nonstop ohne Pause und Schlaf gearbeitet. Und das heisst im Detail ununterbrochen Zentner schwere Maschinen hin und her und damit dann Tonnen schwere Bohrgestaenge bewegen. Ein hochgefaehrlicher Job, fuer den man wirklich Muskeln und hoechste Konzentration braucht. Zudem kommt die staendige Gefahr von H2S-Gas (Schwefelwasserstoff) niedergestreckt zu werden und zu sterben. Aber dafuer werden die Typen auch gut bezahlt.
Ich bekomme immerhin 15 Dollar die Stunde und wenn ich arbeite, werde ich 24 Stunden bezahlt und wohne zudem kostenlos bei Calvin und kann die Autos benutzen.
Vor ein paar Tagem sind Calvin und Ich von einem Job wieder gekommen, bei dem wir von einer Rig 7 Stunden noerdlich, bei Fort Nelson, einen Bohrkern zur Analyse nach Calgary transportierten. Nicht das der Pickup-Truck schon das groesste Auto (wenn man es noch Auto nennen kann) gewesen waere. Nein, es hing auch noch ein 10 Meter langer Anhaenger hinter dran, auf dem 3 Tonnen Bohrkerne rumchillten.
Eigentlich sollte ich mit Ron fahren, ein Typ den Celvin immer mal einstellt wenns viel arbeit gibt, aber Ron war betrunken und ich hab ihm gesagt, dass ich nicht fahren werde, wenn er trinkt. Also ist er kurtz ausgerastet, hat fast den Trailer in den Graben gesetzt und Celvin hat ihn kurzerhand rausgeschmissen. Ich mache also neben den Lay-down-Jobs auch alle moeglichen anderen Dinge, die so zu erledigen sind.

Gestern habe ich mein erstes Sozialisationsprgramm ausserhalb des Arbeitsumfeldes gestartet. Ich habe mich ins Auto gesetzt, bin in die Stadt gefahren, nach einem guten Pub gefragt und landete im „Fitzgeraldis“, einer Hotelbar in Downtown. Dort bin ich auf Darren und seine Freundin getroffen, mit denen ich dann die Opening Ceremony der Olympischen Spiele angeschaut und Bier getrunken habe. Darren ist ein Geschaeftspartner von Celvin, den ich mal fluechtig kennen gelernt habe. Eigentlich sind Bars ja nicht so mein Ding (sind fuer mich aehnliche Geldvernichtsungsmaschinen wie Zigaretten) aber irgendwo muss man ja anfangen. Und es hat sich mehr als gelohnt.
Darren meinte, der „Looney Toons“-Nightclub ist der beste Ort fuer junge Leute. Deswegen entschied ich mich kuerzerhand die superhubsche Kellnerin dorthin einzuladen. Sie sagte, sie gehe nach Arbeitsschluss sowieso dort hin und man koenne sich dort dann wieder sehen.
Nachdem sich der Club so richtig gefuellt hat wurde es interessant. Ich habe mich als stillen Beobachter im Hintergrund gesehen um erst mal die Lage abzuchecken. Ich wusste ja nicht wie die Tanzkultur hier im Vergleich zur Deutschen ist. Also hiess es unauffaellig in einer Ecke sitzen, brav mein Waesserchen trinken (mehr Alkohol haette nur meine Urteilsfaehigkeit eingeschraenkt) und Augen und Ohren offen halten.
Wie man das vielleicht aus amerikanischen Filmen kennt, wird hier deutlich koerperbetonter getanzt, auch mit fremden Menschen. So wie ich das gesehen habe, wird der Club noch viel mehr als Jagdgruende wahrgenommen als in Deutschland. An jeder Ecke wird wird gebuhlt, werden grosse Brueste in engen Dekoltees schwungvoll vor den Maennchen spazieren gefuehrt, wird mit eindeutigen Gesten und Mimiken geworben und abgelehnt. Alles laeuft ne Nummer „cooler“ ab.
Nachdem ich mich auf die kleinen aber feinen Unterschiede des Nachtlebens kalibriert habe, war der folgerichtige naechste Schritt die Tanzflaeche zu erobern. Dazu waehlte ich bewusst einen fruehen Zeitpunkt, als nur ein oder zwei andere Maennchen umgeben von mindestens 30 Weibchen umherwirbelten. Dies wuerde Selbstbewusstsein und Furchtlosigkeit praesentieren, zwei Gueter, die fuer den Erfolg bei der Jagd hoch im Kurs stehen.
Diese theoretischen Gedankenkonstrukte vor und waehrend meines Handelns wurden bei der Ausfuehrung dann mit den von mir erwarteten Reaktionen erwiedert. Ich hatte zunaechst noch teilweise arge Probleme mit der Interpretation einiger Handlungsweisen einiger Weibchen, die fuer meine Verhaeltnisse zu obszoen waren. Mir wurde bestimmt 20 Mal an den Arsch gegriffen, drauf gehauen und drueber gestrichen . Doch nachdem ich mein instinktiv-animalisch veranlagtes Kleinhirn, welches mir sofort befahl: „Mit nach Hause nehmen! Mit nach Hause nehmen!“, eine Stufe runter geschalten habe und die Fuehrung der Grosshirnrinde ueberliess, welche die Situationen mit mehr Rationalitaet und Intelektualitaet bewertete, kam ich einigermassen drauf klar. Ich wusste ja wie gesagt noch nicht genau, wie solche Anzueglichkeiten aufzugreifen sind.
Juli, die Kellnerin habe ich an dem Abend nicht mehr getroffen, doch das war mir auch total egal als ich dieses suesse Maedel reinkommen sah. Die einzige Frau im Haus, die ein Bisschen Hippie maessig aussah, nicht wie die meisten anderen, die teilweise zu billig angezogen waren und zu viel Schminke benutzten oder die Cougars (Bergloewen im Tierreich; reife Frauen ab 40, die unschuldige junge Burschen abschleppen wollen im Menschenreich). Und es gibt wirklich ne Menge Cougars in den Clubs. Das ist eben auch ein Unterschied zu Deutschland: hier gehen nicht nur die jungen Leute tanzen, sondern auch Leute bis 60, die sich eben dann ein 20 jaehriges Spielzeug mit nach Hause nehmen.
Jedenfalls habe ich dieses Maedchen durch 5 Menschengruppengruppen hindurch gesehen und wir blickten uns sofort in die Augen. Das war fast wie Liebe auf den ersten Blick. Sogleich war ich voller Aufregung: „Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gooooott! Ich muss sie ansprechen – aber wie? Mir kommt bestimmt jemand zuvor – oh mein Gooooott!“ Noch ein Schluck Mut antrinken (mit Wasser, haha) und ab, wieder auf den dancefloor. Ich tanzte mich langsam an sie heran, liess irgendeinen dummen Spruch ab, sie lachte und schon tanzten wir zusammen. Allerdings war das schon mehr Sex mit Klamotten als nur Tanzen. Und wieder musste ich mein Kleinhirn im Zaum halten. Ich wollte sie ja nicht verschrecken. Also war hoechste Konzentration und Geduld angesagt. Das war gar nicht so leicht. Die hat losgelegt, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe. Sie rieb ihr Becken an meinem, fasste mir an den Po, presste ihre Brueste an die meinen und kam immer mal wieder mit ihrem Gesicht bis auf wenige Zentimeter an meines heran, sodass ich dachte sie woellte mich kuessen, bis sie ploetzlich wieder abliess. Das ist dieses Spiel, das erotische Herantasten das meine, wie ich es in Deutschland so noch nicht erlebt habe.
Doch aus Spass wurde Spiel und aus Spiel wurde Ernst (nein – Ernst ist heute nicht 8 Jahre alt) und aus Ernst wurde ein Kuss. Und dann noch einer und noch einer und dann fragte sie mich, ob ich nicht mit zu ihr nach Hause gehen will. Na und was glaubt ihr habe ich wohl gemacht ? Ich habe sofort die Herrschaft des Neocortex gestuerzt.
Kata ist ihr Name und sie reiste die letzten 2 Jahre durch Australien, Neuseeland und Asien und arbeitet jetzt hier in Fort Sankt John fuer 2 Monate um Geld fuers weitere Reisen zu sparen, so wie ich. Im Sommer will sie zum Yukon fahren, um dort outdoor maessig aktiv werden, so wie ich. Waere doch unfassbar toll, wenn sich da was ergibt.
Gestern war ich mit Celvin und seiner Familie auf einem Rodeo Contest. Ich war nur beim Roping (2 Reiter versuchen eine Kuh mit Lassos einzufangen) dabei. Das war schon ganz interessant. An einer Atrappe habe ich mich auch mal ausprobiert. Halluluja, das ist vielleicht schwer!!!
Wenn ich so auf die letzten Wochen zurueck blicke, dann hat sich mein Leben gerade in eine Achterbahnfahrt verwandelt. Aber in eine spassige!!! Sehr viele neue Situationen, Erfahrungen und Leute. Und hier mach ich jetzt Schluss fuer heute.