16.8.11

Dawson City - Kanada

Kaum waren wir aus Whitehorse raus, ueberhitzte der Motor das erste Mal.
"Na gut, wir sind ja auch vollgepackt bis zum Dach. Das ist natuerlich viel Stress fuer den armen Motor.", dachte ich mir. Besser wurde es nicht. Im besten Falle schafften wir mal 20km am Stueck, doch der Schnitt lag bei unter zehn und es ging abwaerts. Nach ueber vier Stunden "Fahrt" machte der Van keine drei Kilometer mehr, bevor der Motor heiss lief. Wir hatten nur etwas ueber 100km hinter uns, noch etwas ueber 400km vor uns und ich musste schon drei mal den 20l-Kanister neu mit Wasser auffuellen. Unter diesen Umstaenden haette es eine Ewigkeit gedauert, bis wir in Dawson angekommen waeren, wenn ueberhaupt. Irgendwann waere mir mal das Wasser in einem trockenen Highwayabschnitt ausgegangen und das waers dann gewesen.

Wir uebernachteten an einem See und entschieden uns am naechsten Tag zu trennen. Um das Auto zu entlasten, trampten die anderen nach Dawson und ich versuchte es alleine weiter.
Kurz hinter Carmacks fingen an mir komische Motorengeraeusche Sorgenfalten aufs Gesicht zu treiben und ich musste mir eingestehen, dass die ganze Aktion keinen Sinn mehr hatte. Ich drehte um und fuhr zurueck nach Carmacks. Ein Strassenarbeiter, der am Morgen neben uns angehalten hat, um zu fragen ob bei uns alles in Ordnung ist, als wir mit offener Motorhaube am Kuehler rumgefummelt haben, bot mir an den Van in Cramacks abzukaufen.
"Ich geb dir 80 Kroeten", sagte er.
"Waaaaaas?!", erwiderte ich. "Gib mir wenigstens 150. Der Tank ist fast voll und im Reservekanister sind auch noch mal 25l".

So verschaerbelte ich am Ende mit einer kleinen Traene im Auge meinen Van fuer einen "Apfel"(ohne Ei), da mir nichts anderes uebrig blieb.
Nun war ich wieder mal zu Fuss auf der Strasse, trampender Weise, was mir ja eigentlich mittlerweile auf den Sack ging, aber so laeuft daschicksal halt manchmal. Man gewinnt Dinge und man verliert Dinge - eine gute Lehrstunde zum Verabschieden vom Materialismus. Das aetzende war, dass ich in der Zeit in der ich den Van hatte, eine Unmenge an Utensilien und Essen angehaeuft habe. Ein Berg von Sachen, von denen ich mich noch nicht trennen wollte. Ich brauchte noch etwas Zeit mich komplett von meinem ersten Heim der letzten dreieinhalb Jahre abnabeln zu koennen und frei zu machen. Fuer diesen Fall hielt der Lauf der Dinge den Tschechen Vaclav fuer mich bereit.

Vaclav, ein Althippie am Ende seiner 50er, der die volle Revolution in den USA der spaet 60er mitgemacht hat, begegnete mir auf dem Campingplatz in Carmacks, wo ich all meinen Kram ablud, bevor ich das Auto verkaufte. Ich sass auf einer Bank am Ufer des Yukon und schaute mir das Floss an, das zu meinen Fuessen geankert lag.
"Wem gehoert das gute Stueck?", fragte ich Vaclav, der auf einer Bank neben mir sein Buch lass.
"Drei Schweizern", sagte er.
"Sind die hier auf dem Campingplatz?"
"Grundsaetzlich ja, aber jetzt gerade kaufen sie Essen im Ort ein. Bist du mit dem Kanu hier?", fragte er.
"Nein, ich hab den Trip auf dem Fluss letztes Jahr mit einem Freund von Whitehorse nach Dawson mit einem Floss gemacht. Diesmal bin ich auf dem Landweg nach Norden unterwegs. Leider ist mein Auto hin und ich habs eben verkauft. Muss jetzt wieder trampen und ich hoffe, dass ich jemanden finde, der mich und mein Zeug nach Dawson bringt."
"Ich fahr morgen nach Dawson", erwiderte er. "Ich kann dich mitnehmen und dein Zeug kriegen wir schon irgendwie unter."

Ich erwachte in dem leeren, etws muffigen Raum. Die Sonne schien schon hell. Oder immer noch? Schwer zu sagen, wenn sie nicht wirklich untergeht. Ich ging ins Whonzimmer und sah Vaclav immer noch auf dem Sofa schlummern. Leise schlich ich mich aus dem Haus, um ihn nicht aufzuwecken. Ich schaute zum Midnight Dome, der Hausberg von Dawson. Unten im Tal, am Klondike River liegen die Kiesberge in ulkiger Form wie riesige Raupen in der Landschaft herum, ausgespuckt von den Goldbaggern. Ich drehte mich um und sah das verlassene Blockhaus, das wir fuer die Nacht als unser Schlafquartier besetzt haben, ein typisches Yuon Blockhaus. Alles um mich herum - typisch Yukon. Es war, als haette ich Dawson nie verlassen. Alles war genauso. Ixh traf sogar viele Leute von letztem Jahr wieder. Junge Reisende wie ich, die auf den neuen Goldrausch mit aufspringen, nicht um nach Gold zu suchen, aber um die reichen Minenarbeiter und Touris als Koeche und Kellner in den Restaurants zu bedienen. Der neue Goldrausch ist nicht echt. Es ist nicht so, dass wieder neue massive Venen in jungfraeulichem Land gefunden wurden. Vielmehr ist der hohe Goldpreis fuer den Aufschwung verantwortlich. Bei 1500$ per Unze lohnt es sich mittlerweile die selbst zuvor unprofitabelsten Geroellfelder nach den kleinsten Goldkruemeln durch zu sieben. Das zieht viele Leute in den Yukon sodass Whitehorse und Dawson boomen.

Mich interessierte das Gold nicht. Ich kam aus einem anderen Grund in den Norden: ich wollte zurueck nach Maysimay.
Der urspruengliche Plan war mit einigen Freunden und Neulingen, unter anderem Erich Kiefer und Tyrell, wieder einmal ein Floss zu bauen und zurueck nach Maysimay zu fahren. Doch Erich und Kiefer waren unauffindbar, in der realen sowie in der Cyberwelt und Tyrell war zwar da, hatte aber einen Job als Kindergaertner.
Ich verbrachte eine Woche und tat, was man in Dawson so tut: An der Frontstreet rumhaengen und Leute treffen; zum Schiffswrack gehen, am Strand ein Feuer machen, ein Bier trinken und Feuer machen; auf Parties gehen und Leute treffen; im Casino abhaengen u.L.t.; Ultimate Frisbee spielen u.L.t.; wilde Erdbeeren sammeln gehen, mit neu getroffenen Leuten; und den Rest der Zeit einfach Leute treffen. Wenn man in Dawson nicht weiss, was man machen soll, dann zieht man einfach durch die Strassen und schaut, wer so unterwegs ist und ehe man sich versieht, ist man umgeben von tollen Menschen und startet irgendeine witzige Aktion.
Gluecklicherweise hat sich meine Wohnsituation auch schnell geklaert. Ricardo (von letztem Jahr Whitehorse und Dawson) fuhr fuer ein langes Wochenende zum Atlin-Music-Festival und ueberliess mir seine Huette in Downtown. So war ich immer inmitten des Geschehens und konnte meinen Flosstrip organisieren.
Viele Leute waren sehr interssiert mit mir mit zu kommen, doch konnten nicht weil sie einen Job hatten. Andere wollten, aber erst einige Wochen spaeter und wieder andere sagten Ja, zogen dann aber doch den Schwanz ein. Ich konnte mich allmaehlich immer mehr mit dem Gedanken anfreunden den Trip alleine zu starten. Nach fast einer Woche Dawson war es sowieso Zeit raus zu kommen aus dem verwuselten Leute-Beziehungskisten-Bussiness. Ich wachte eines Morgens auf und wusste: "Heute ist der Tag. Ich fuehle, dass es Zeit ist aufzubrechen." Mittlerweile war es mir sogar recht dass mich niemand begleitete. So konnte ich mich darauf konzentrieren die Zeichen zu sehen und zu suchen, was ich zu finden hoffte. Mir wurde klar, dass das ganze wie eine spirituelle Vision-Quest fuer mich werden wuerde.
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