1.1.11

philosophischer Anhang zum vorher gehenden Eintrag

interessante Kommantare. Danke bisher.

Die Tastatur hier schreibt keine Kommas. Deswegen wirds ein Bisschen wild.

Versteht mich bitte nicht falsch aber ich sage ja nicht dass arbeiten was schlechtes ist. Ich habe vielleicht nicht genug betont, dass ich weiss dass sie noetig ist (logischerweise) und auch gesund. Nur kommt es eben auf die Intensitaet an. Mehr hab ich so weit ich weiss nicht gesagt. Wenn also jemand abweisend oder gar defensiv zu meinen Aeusserungen denkt oder sich ausspricht, heisst das dann nicht dass derjenige sich ertappt fuehlt? Denn wenn derjenige naemlich nur so viel arbeitet wie noetig und vollkommen zufrieden ist mit den Umstaenden die die Arbeit betreffen, dann sollte dieser Mensch doch mit meinem letzten Eintrag eigentlich uebereinstimmen, da ja meine Theorie in diesem Fall stimmt. Wer also voellig zufrieden ist mit seinen Arbeitszeiten, der duerfte sich doch gar nicht angesprochen fuehlen.
Was ich sage ist, dass theoretisch in den Industrielaendern NIEMAND das Recht hat sich zu beschweren, dass er/sie zu viel arbeiten muesse. Denn man muss nur viel arbeiten wenn man viel will. Und wer viel will und dadurch viel geld braucht, der darf sich nicht beschweren dass er deswegen viel arbeiten muss. Denn das viel wollen kann man abschalten oder sich eben gar nicht erst von kapitalistischen Schrumms indoktrinieren lassen, der sagt dass unkontrollierter Konsum etwas ganz Tolles ist.

Also: Arbeit ist gut und toll (solange man sich nicht durch sie in Unzufriedenheit bringt).

Was ich z.B. nicht verstehe ist:
Ich habe in Arbeitsverhaeltnissen in Deutschland Menschen kennen gelernt, die schon mal arbeitslos waren. Das war fuer die Menschen was Schlimmes und sie wollten unbedingt wieder Arbeit haben. Nicht dass sie verhungert waeren, da es ja in Deutschland Sozialversicherung gibt. Aber ich nehme an sie wollten einfach beschaeftigt sein. Als sie dann aber Arbeit hatten (ich habe mit Ihnen zusammen gearbeitet), hatte ich nicht das Gefuhel dass dieser Umstand irgendwas an ihrer Verfassung geaendert hat. Endlich hatten sie ihre Arbeit und waren immer noch unzufrieden und haben sogar ueber ihre Arbeit geklagt. Was wollen die Leute nun eigentlich? Wenn ich irgendein Ziel habe und etwas will, dann beklage ich mich doch nicht wenn ich es erreicht habe. Das macht ueberhaupt keinen Sinn!!!

Und jetzt braucht mir niemand erzaehlen dass das Einzelfaelle sind. Ich kenne so gut wie keinen der sagt: Oh ja ich liebe meine Arbeit und ich finde es voellig in Ordnung jeden Tag 9-12 Stunden zu arbeiten.
Vielleicht kenne ich solche Leute, nur habe ich mich mit denen noch nie darueber ausgesprochen.

Wenn ich Verantwortung fuer einen Menschen uebernehmen muss (ich nehme mal an Kinder sind gemeint), dann muss man wahrscheinlich mehr arbeiten (oder eigene Beduerfnisse zurueckstellen). Das weiss ich und dagegen sage ich ja auch gar nichts. Nur denke ich auch wieder, dass das nur bedingt zutrifft. Ich bin ueberzeugt selbst mit Kind muss man nicht mit 45 Stundenwoche durchs Leben schreiten. Eben aus den schon vorher genannten Gruenden. Wenn man das nun aber will und damit zufrieden ist dann ist doch alles gut. Nur glaube ich eben dass das die meisten nicht wollen. Das zumindest ist meine Erfahrung. Und ganz extrem ist es halt in Fort St. John mit den Leuten die ich kenen gelernt habe.

Mutti um auf deine anstichelnden Fragen zu antworten: JA von jedem ein Bisschen. Sicherlich will ich meinen Lebensstil (wieder mal) rechtfertigen. Weil naemlich immer wieder gewissermassen Angriffe und Vorwuerfe gegen mich aufgebracht werden. Faulentzer oder Schmarotzer oder Unproduktiver.
Nur, wenn ich niemandem mit meinem Stil auf der Tasche liege und ich mir mein Faullenzen mit Einsparungen bei meinen Beduerfnissen verdiene (weswegen ich nicht so viel arbeiten muss und mehr Faullenzen kann) und damit auch noch gluecklich bin, was sollen dann die Vorwuerfe. Kann man einem Menschen nicht nur dann Vorwuerfe machen wenn Leben anderer beeintraechtigt werden oder Unzufriedenheit vorherrscht?

Ausserdem will ich natuerlich auch provozieren. Weil es Spass macht und ich zum Nachdenken anregen will und damit eine Disskussiion hervorrufen will. Vielleicht bin ich ja ein eingebildeter kleiner Bengel (der den viel erfahreneren Aelteren was ueber Lebensweisheiten erzaehlen will, obwohl er im Prinzip gerade erst aus dem Ei geschluepft ist und vom Leben noch keine Ahnung hat). Vielleicht ist das ja so. Dann liegen aber auch die Buddhisten falsch und Erich Fromm und viele viele andere. Wer weiss. Vielleicht will ich auch einfach ein Rezept fuer meine eigene Zufriedenheit praesentieren und damit der Menschheit was Gutes tun.

Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen in dem normal gearbeitet wurde. Meine Eltern haben gearbeitet (auch immer noch) und mir damit den typischen Lebensweg vorgefeuhrt. Auch in der Schule wurde ich dazu erzogen ein produktives arbeitendes Mitglied der Gesellschaft zu werden. Und trotzdem verbascheue ich (zu) viel Arbeit. Ist das dann nicht eine Art angeborene Abscheu? Ich habe mir diese Abscheu nicht erst in den letzten Jahren angeeigent durch z.B. "komische" Leute mit denen ich in Kontakt war. Ich hatte diese Abscheu wahrscheinlich schon immer. Ich hatte auch schon immer (ab dem ersten Tag an) Abscheu vor zu fruehem Aufstehen in der Schule und zu vielen Stunden am Tag. Wenn ich eine natuerliche Abscheu gegen etwas habe, ist es dann nicht gesund dagegen zu arbeiten? Wenn ich von Grund auf fuehle dass etwas falsch ist, dann versuche ich doch mich davon zu distanzieren. Und ich fuehle und weiss eben dass FUER MICH ein Leben mit 45 Stundenwoche falsch ist. Ich fuehle aber auch dass das auf viele wenn nicht die meisten zutrifft. Nur weiss ich es in dem Fall bei den meisten nicht, weswegen alles nur eine Theorie bleibt die versucht die vielen griesgraemigen Gesichter in der Strassenbahn zu erklaeren.

Ich bin ein junger Mensch und junge Menschen geben sich oft nicht einfach gegebenen Dingen hin. War schon immer so. Zu Sokrates Zeiten z.B. und die Hippies haben auch genau das getan. Ohne die Hippies haette es vielleicht nie solch riesige Schritte in Richtung Fremdenfreundlichkeit oder Emanzipation der Frau gegeben.
Wenn man heute die Menschen der ersten Hardcore-Industriealisierungsjahre sich anschaut, dann sagen ja auch fast einheitlich alle:"Ohhh die Armen. Die mussten so viel arbeiten." Sicher koennte man da jetzt sagen: na dann ist doch alles in Ordnung, da haben wir doch schon viel erreicht. Das haben wir ja auch. Nur glaube ich nicht dass das schon alles war. Fast jede Gesellschaft ist immer verbesserunsgwuerdig. Vielleicht wird mal in vielen Jahren eine 10 oder 20 Stundenwoche normal und dann reden alle so wie ich jetzt. Vielleicht aber auch nicht.

Jedenfalls habe ich mal in einem Buch gelesen wie ein Anthropologist nach Papua Neuguinea gereist ist, um dort einen Eingeborenenstamm zu studieren. Und dieser Forscher war hocherstaunt als er feststellte, dass die Menschen gerade mal zwei Stunden pro Tag mit Nahrungsbeschaffung verbracht haben, was anscheinend den groessten Teil der taeglichen Arbeit ausmachte.

Ist das nicht komisch dass man bei aller Entwicklung ("nach vorne") seit den Urzeiten viel mehr arbeiten musse? Man hat so viele Geraete entwickelt die uns Zeit geben sollen und Arbeiten abnehmen sollen. Aber irgendwie scheint der Plan nicht aufgegangen zu sein.

Abschliessend moechte ich noch mal betonen, dass ich hauptsaechlich meine Impressionen der Leute aus Fort St. John widergeben wollte und aber auch gleichzeit etwaige Parallellen nach Deustchland gezogen habe. Es soll sich niemand angegriffen fuehlen. Alles ist gut! Heben wir unser Glas. :)

Happy New Year an euch alle!

Ich bin gerade von einer geilen Party zurueck gekommen und muss jetzt ins Bett.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

hallo tuffi.erstmal, gruesse aus argentinien. was du in minus graden hast, habe ich in den plus bereichen.verdammt, man kann es nie jemandem recht machen. hier ein paar gedanken die ich beim lesen hatte:
wie ist denn die lebenserwartung und kindersterblichkeit bei diesem eingeborenenstamm?
ich bin mir sicher das vor der industrialisierung (und damit meine ich vor den alten aegyptern) wenig geabarbeitet und viel gefaulenzt wurde. wobei man faulenmzen auch gerne als kultur und solziale aktivitaeten abschreibt.aber ohne leute die was gemacht haben ausser das alltaegliche und mehr gearbeitet haben, waeren wir nicht auf dem medizinischem stand auf dem wir jetzt sind.
a pros pros mehr machen. ich werde wieder eine kleine anekdote meines vaters erzahelen und mir dann von luke und so anhoeren koennen dass ich einen vaterskomplex habe, aber das kann ich ab.
mein vater hat den besten job auf der welt.fuer ihn. er freut sich auf arbeit zu fahren, macht teile seines berufes zu hause, manche im mueseum.wenn wir auf reisen sind baut er immer ein wewnig seinen beruf mit ein, weil es ihm spass macht. und ende januar faehrt er fuer nen monat nach malawi um zu arbewiten. aber wie gesagt.urlaub und arbeit verschwimmt.(pech fuer ihn dass da grade regenzeit ist, ich wuensche von hier aus alles gute bei der suche nach trockenen socken)
also, ich finde dass leute zuviel arbeiten und sich daruebr auch mit recht zu beschweren,es gleichzeitig aber leute gibt die ihre arbeit lieben und es moeglich ist fuer alle die richtige arbeit zu finden. un arbeit muss sein um so schmarotzer wie mich und andere kinder zu finanzieren (obwohl ich grade nichts von meinen eltern bekomme,das kommt dann im bafoeg!).und von dir stammen die worte "arbeit kann wichtiger sein als familie.viele leute sind ungleucklich mit der familie oder haben keine und eine tolle arbeit ist dann ihr ganzes leben. leute ohne arbeit und mit glueckl. familie sind oft ungluecklich".hast du zo gesagt.
ich verabschiede mich mit den worten vicky vomits:
"gut gelaunt und sorgenfrei, orbeitslos, un spass dabei!"
bubbi

Anonym hat gesagt…

oh, noch was. es gab in den 20ers, zur hoechstzeit der industrialisierung und der arbeiterausbeutung und bewegungen den versuch eine 20h woche in einer fabrik einzufuehren ei gleichem gehalt wie fuer 40h und daher doppelt sovielen arbeiten.
erstaunlkicherweise ging der umsatz des unternehmens bergauf.trotz hoeher zahlungen an arbeiter.
ich empfehle hier zu "eine landkarte der zeit-wie kulturen mit zeit umgehen" von Robert levine.
wieder bubbi