Die letzten Tage in
Portland waren dominiert von Besen, Putzlappen und Schweiß. Melissa,
die Hausbesitzerin, hat einen kompletten Dachschaden, was die
Hausübergabe anbelangt. Sie hat Vorstellungen von Zahnbürsten, die
über Fließenfugen schrubben und kündigte an, trotz absoluter
Reinlichkeit im fürs menschliche Auge wahrnehmbaren
elektromagnetischen Spektrum, mit einer Schwarzlichtlampe in die
Ecken eines jeden Raumes zu kriechen, um Katzenpisse sichtbar zu
machen, um daraufhin hysterisch zu reagieren, was das für eine
Unverschämtheit sei, das Haus in diesem Zustand zu hinterlassen. Ihr
Wunsch war es mehr oder weniger das Haus wie bei der
Schlüsselübergabe zur Ersteinweihung zu übergeben, mit anderen
Worten: in fast Neuzustand.
Das Problem war, dass die
drei Mädels viel Geld für Sicherheitskaution sowie Reinigungskosten
bei Vertragsbeginn hinterlegen mussten, was bei dieser ganzen
lächerlichen Putzerei auf dem Spiel stand. Also blieb uns nichts
anderes übrig als eine Woche lang wie bessen unsere Zeit mit
Reinigung zu verbringen.
Nach vollendetem Werk
stehe ich vor dem gepackten Auto. Unweigerlich stelle ich die
Parallelen zu meinem Vater fest. Es dauert zwar immer seine Zeit,
doch wenn er fertig ist, dann steckt in einem Kofferraum meist ein
Drittel mehr an Gegenständen, als bei anderen Leuten. Jedes noch so
kleine Plätzchen wurde von mir mit einem passenden Artikel gefüllt.
Das ging soweit, dass ich sogar die Unterwäsche von Becky in die
Felge des Ersatzrades gestopft und somit eine kleine Kiste eingespart
habe, die sonst in den Kofferraum hätte passen müssen. Das Auto
weckt Erinnerungen an ein vollendetes Level des Computerspiels Tetris
– gerade noch genug Leervolumen, um uns mit genügend Sauerstoff zu
versorgen.
Mit einem guten Gefühl
rollen wir aus Beckys Seitenstraße raus, nur, um uns 15min später
in einem zermürbenden Rush-Hour-Stau wieder zu finden. Der erste
wirkliche Stau seit vielen Jahren, doch eine Stunde später sind wir
draußen und fliehen vor der Sonne, die schon tief am Horizont steht,
Richtung Osten, immer weiter Richtung Osten – für die nächsten
5500 km.
Dafür, dass wir erst
Abends um sechs aus der Stadt raus gekommen sind, schaffen wir
erstaunlich viel Strecke. Irgendwo im Nirgendwo von Washington
schlagen wir mitten in der Nacht in der widerborstigen Höhenwüste
neben einem Rinder-Konzentrationslager unser Zelt auf, nur um unsere
Körper mit Schlaf zu nähren, um am nächsten Tag so schnell wie
möglich von diesem Gruselort zu verschwinden und mehr Kilometer zu
schrubben.
In voller Erwartung
überqueren wir die Grenze von Washington nach Montana. Sicher, ich
habe die Rocky Mountains schon in Canada gesehen und war sichtlich
beeindruckt, doch aus irgendeinem Grund erwarte ich von den US-Rockys
noch mehr. Vielleicht liegt es daran, dass die Ammis alles
Erdenkliche für sich als Superlative verbuchen wollen, um bestehende
Komplexe zu kompensieren. Meine Hoffnungen werden nicht erfüllt. Die
Fahrt ist zwar ganz schön, aber lange nicht das, was ich mir
vorgestellt hatte. Umso aufgeregter blicke auf die nächsten Tage im
Yellowstone Nationalpark, einer der berühmtesten und ältesten der
Welt (und da ist wieder ein Superlativ).
Außerhalb von Bozeman
campen wir im Gallatin Canyon, nördlich von Yellowstone, um dort
erst noch die örtlichen Kletterfelsen auszutesten. Schon in Portland
recherchierte ich über diesen Spot. Allerdings wäre es hoffnungslos
gewesen bei der Menge an Felsen und Cliffs die von mir rausgesuchten
zu finden. Doch wie der Zufall es will, finden wir bei einem
Spaziergang an mehreren Wänden eine Unzahl an gebohrten Routen.
Leider ist nichts für Becky dabei, da so gut wie alle Routen zu
schwierig sind. Dafür kann ich mich umso mehr austoben.
Wir haben gerade unser
Abendessen beendet und sind neben dem Feuer kuschelnd zum Wein
übergegangen, als es wieder einmal unweit von unserem Camp im
Unterholz kracht. Und wieder dauert es keine halbe Sekunde, dass
unsere Körper vor Adrenalin zittern. So langsam gehen mir diese
scheiß Bären richtig auf den Sack, denke ich mir und fange
mittlerweile routinemäßig an so laut es geht rumzubrüllen. Unser
Camp liegt hineingeschmiegt in einer relativ großen Halbhöhle, aus
der alle widerlich aussehenden Kletterrouten heraus führen. Das
Lagerfeuer zündelt keine vier Meter neben der Felswand, die Decke
auf der wir liegen ist dazwischen platziert und direkt hinter dem
Feuer geht es 200 m den bewaldeten Hang hinunter, bis zu der kleinen
Kiesstraße, auf der unser Auto steht. Wir liegen ziemlich bequem,
Dank unserer Matratzen, denn das kleine Plateau zwischen Abhang und
Felswand ist mit einer dicken Schicht aus Faustgroßen Steinen
bedeckt. In diesem Fall glücklicherweise, muss ich sagen, denn
parallell mit unserem Rumgeschreie können wir sofort anfangen den
Steilhang unter uns zu bombardieren, von wo aus das Knacken kam.
„Zurück zum Auto, einen
anderen Platz suchen?“
„Hmmm, alles
zusammenpacken und zum Auto runterschleppen, um dann irgendwo hin zu
fahren?“, erwidere ich. Außerdem bin ich ziemlich müde und der
Wein knallt in meinem Kopf.
„Irgendwie habe ich
keinen Bock auch nur einen Finger zu rühren. Der wird schon
abhauen.“, sage ich.
Unruhig legen wir uns
wieder hin und dösen weiter. Zwanzig Minuten später kracht es
wieder, definitiv nicht weit von uns, diesmal aber von weiter links.
Somit ist klar, dass es kein Reh ist. Diese sind nämlich nicht
neugierig und tendieren eher dazu sich in die entgegengesetzte
Richtung von Menschen zu bewegen, ganz im Gegensatz von Bären. Und
noch dazu bei dem Zirkus, den wir erneut veranstalten. Doch wieder
können wir uns einfach nicht aufraffen ein neues Revier zu suchen
und gleiten erneut zurück in den angenehmen Halbschlaf. Dann
widerholt sich das ganze Spiel noch zwei drei Mal, bis wir plötzlich
am Morgen aufwachen und und feststellen, dass Nichts gefährliches
passiert ist und wir sogar recht gut geschlafen haben.
Es ist ziemlich früh für
unsere Verhältnisse und trotzdem hat sich schon eine Schlange vor
dem Westeingang in den Nationalpark angestaut. Mittlerweile sind wir
richtig froh, dass wir vor ein paar Wochen bei unserem Trip entlang
der Westküste uns einen Jahrespass für alle Nationalparks gekauft
haben. Bei den vielen Parks und Monuments, die wir schon besucht
haben, hätten sich die jedesmal anfälligen 20 oder 25 Dollar zu
einem unakzeptablen Haufen aufgeschichtet. Ganz cool halten wir
unseren Jahrespass aus dem Fenster und werden an der Kontrollstation
durchgewunken. Becky und Ich hatten bereits einige Gespräche über
dieses Thema und wieder diskutieren wir hin und her. Grundsätzlich
sind wir einer Meinung. Es fühlt sich einfach falsch an für eine
natürliche Attraktion Geld von den Menschen zu kassieren. Mit
welcher Rechtfertigung? Für den Naturschutz, wird behauptet. Ranger
müssen angestellt werden, die aufpassen, dass alles seine Ordnung
hat, dass die Leute nicht wild rumcampen, keine Feuer machen, wo es
icht vorgesehen ist, keine Tiere schießen, Pflanzen pflücken, auf
den Wegen bleiben, usw. Das kann ich ja mehr oder weniger verstehen.
Aber wie siehts mit den vielen schicken Teerstraßen aus, die den
Park durchqueren? Oder die fetten Lodges, die gebaut werden, um den
Leuten eine 5-Sterne Unterkunft zu bieten, sowie Restaurants und
dämliche Ramschläden. Und das war noch nicht alles an Unsinn. Das
Problem ist, dass wie ich denke, Nationalparks in den USA vermarktet
werden. Sie sind eine fette Goldkuh, die schön kontinuierlich
gemolken werden. Und das Beste ist, dass die Kuh nicht erst
aufgezogen werden muss – nein, sie war von Anfang an da, schon
lange bevor die ersten Indianer durchs Land streiften. Und dann
brauchte es nur noch einen pfiffigen, dicken weißen Mann mit Zigarre
im Mund, der genug Geschäftsverständnis hatte und alles in die Wege
leitete, um die Euter so richtig auszuquetschen. Natürlich muss
Naturschutz sein und dafür braucht es Menschen und Systeme, doch die
könnten zum Beispiel von Steuergeldern bezahlt werden, da das
Nationalparksland ja sowieso (zumindest theoretisch) dem Volk gehört.
Da die Prioritäten der Regierung aber eher auf Militärausgaben
liegen, bleiben eben Dinge wie das Instandhalten von Nationalparks
oder ein gutes Krankenkassensystem auf der Strecke. Was mich
besonders ärgert ist der Umstand, dass nun die Leute, die es sich
nicht leisten können, niemals in einen Nationalpark fahren, um sich
ihr eigenes Land anschauen zu dürfen – weil sie das Geld nicht
haben!
Wir haben nun aber das
Geld und fahren rein. Im Laufe der Jahre haben sich meine Erwartungen
in fast unerreichbare Höhen geschraubt, was Yellowstone betrifft.
Als einer der größten Parks in den USA und der allererste
überhaupt, mit einer einzigartigen Vielfalt an Tierarten und die
weltweit dichteste Ansammlung von geothermalen Besonderheiten – da
stellt man sich halt was ganz besonderes vor. Doch wie schon von den
Rockys sind wir nicht wirklich beeindruckt. Logischerweise ist es
schon toll, aber lange nicht so, wie der Park in den Medien und sonst
überall gehypt wird. Wir fahren durh viel Wald und am Horizont
erheben sich mittlere Berge und Hügel, nichts, was es nicht auch auf
der 4000 km Strecke zwischen Vancouver und Whitehorse jeden Tag zu
sehen gibt. Um genau zu sein, ist der gesamte Westen Kanadas deutlich
beeindruckender als Yellowstone. Als die ersten Geysire und heißen
Quellen auftauchen, ändert sich das aber schlagartig. Hier wird mir
die Besonderheit bewusst. Zwar finde ich den Hype immer noch total
überzogen, doch die Vulkanaktivität ist schon wirklich toll.
Wir rollen aus dem
Nadelwald in eine riesige baumlose Wiesenlandschaft.
„Warum wachsen hier
schlagartig keine Bäume mehr?“, fragen wir uns gegenseitig. Ein
paar Kilometer weiter vorraus erahne ich die Antwort. Überall dampft
aus der flachen Erde, hier und da schießt eine heiße Wasserfontäne
aus dem Boden. Wir parken das Auto und reihen uns in die
Menschenmassen ein, die den Holzsteg durch die Geysirlandschaft
entlangrollen. Man findet alles, was das Geologenherz begehrt: Teiche
gefüllt mit kochendem, blubberndem Schlamm, speihende Geysire,
kreisrunde Becken mit heißen Quellen und Löcher, aus denen unter
Hochdruck und mit röhrendem Lärm Dampf heraus schießt. Bei einem
der Stege kommen wir an einem besonders schönen heißen See vorbei.
Er ist kreisrund und wird unerlässlich vom Grund mit kochendem
Wasser aufgefüllt, welches dann über den Rand hinweg an allen
Seiten herunterläuft. Je nach Wassertemperatur siedeln sich
unterschiedliche Bakterienkulturen an, die jeweils eine andere Farbe
haben. In der Tiefe des Sees, wo es besonders heiß ist, strahlt
alles in einem reinen Blau, das weiter oben ins Türkis übergeht und
dort wo das Wasser wie in dicken Adern vom Rand hinunter in die
Grasebenen fließt, liegen dicke Matten von orangen und roten
Bakterienkolonien in den Wasserläufen. Leider können wir nicht das
ganze Ausmaß des Spektakels sehen, bis ich auf einem der umliegenden
Hügel Menschen herumlaufen sehe.
Wir entschieden, dass uns
ein Spaziergang mal gut tun könnte, nach all den unzähligen Stunden
Rumgesitze im Auto und steuern den Hügel an.
„Ich würde nicht so nah
an das Becken rangehen“, sagt die Frau aus der Gruppe hinter mir,
die mich dabei beobachtet, wie ich etwas weniger als zwei Meter vom
Beckenrand entfernt in das strahlend blaue, tiefe Loch schaue und
versuche Fotos zu schießen. „Der Beckenrand ist of sehr instabil
und kann einbrechen. Die Mineralien lagern sich nicht selten als
dünne Überhänge ab. Man meint auf stabilen Grund zu stehen, bis
man urplötzlich in dem kochend heißem Wasser des Beckens
herumstrampelt und blanchiert wird. Bisons fallen da immerzu rein.
Aber das scheint den jungen Herrn ja nicht zu interessieren, denn er
ignoriert mich vollkommen.“, sagt sie. Ich bin so mit meiner Kamera
beschäftigt, dass ich sie wirklich mehr oder weniger ignoriert habe,
auch weil ich dachte, dass sie zu dem Jungen aus ihrere Gruppe
geredet hat. Ein gestelltes, überraschtes „ohhh“ verlässt
meinen Mund, als ob ich mir nicht im Klaren wäre, was ich täte. Ich
habe doch genau gesehen, dass diese Becken keinen Überhang hat und
außerdem, ich war ja noch realativ weit vom Rand weg. Da will sich
wieder nur jemand wichtig machen und in die Angelegenheiten anderer
einmischen, denke ich mir. Und trotzdem – Bisons fallen da immerzu
rein, hallt es in meinem Kopf nach. Blanchiert. Blanchiert – wie
eine kleine rote Tomate. Und jeder, der mal Tomaten blanchiert hat,
weiß leicht es dann ist, die Haut abzuziehen. Autsch, autsch, das
klingt irgendwie nicht so angenehm. Und dabei sieht das wunderschöne
Blau und die perfekte runde Form der heißem Quelle doch so einladend
aus. Mein Foto ist zwar nicht das geworden, was es werden sollte,
aber ich will der guten Frau ihren Sieg in Sachen lehrerhaften
Belehrungen lassen und entferne mich vom Todesloch, zurück auf den
Weg.
Der Weg auf den Hügel ist
interessanter als ich dachte. Es gibt zwar sowas wie einen Pfad, doch
der ist eher inoffiziell. Der Boden besteht so gut wie ausschließlich
aus Asche und Staub und wir müssen einige herumliegende Bäume
übersteigen. Für mich ist das eher nervig, doch Becky hat sogar
Angst. Trotzdem schaffen wir es nach oben. Beim Aufstieg habe ich
mich gezwungen nicht nach hinten zu sehen, um die Überraschung nicht
vorweg zu nehmen. Ich warte bis Becky bei mir ist und zusammen drehen
wir uns um. Der Blick ist überwältigend. In den schillernsten
Farben, die ich je in Natur gesehen habe, liegt der See unter uns,
vor einer unberührten Kulisse. Fast künstlich und äußerst bizarr
wirkt das Ganze. Wir brauchen bestimmt 15 Minuten um die Schönheit
aufzusaugen.
Wieder auf dem Rückweg,
kommen wir erneut an dem Pool vorbei, wo mir die achtsame Frau eine
Belehrung erteilt hat. Diesmal sind wir allein und diesmal gehe ich
noch näher ran, um einen besseren Blick zu erhaschen. Irgendwie
halte ich von den in die heißen Quellen fallenden Bisons nicht viel.
So'n Quatsch, denke ich. Die leben hier die ganze Zeit. Die wissen
doch bestimmt, dass die Dinger gefährlich sind. Kurz vor dem Rand
bleibe ich stehen und beuge mich vor und … falle nicht rein. Aber
wer hätte das gedacht – unten am Grund liegt zwischen Ästen und
Stämmen ein weißes, perfekt konserviertes Hüftskelett. Es ist ein
großer Hüftknochen, von einem Bison würde ich sagen. Da war die
Warnung von kochenden Bisons dann also doch nicht so albern. Und ich
kann mir gut vorstellen, dass alles was keine Krallen oder Finger hat
und sich in einem dieser Löcher widerfindet, schlechte Chancen hat
dort raus zu kommen. Der Pool ist nicht breit, vielleicht zwei oder
drei Meter im Durchmesser, jedoch bestimmt drei/vier Meter tief –
der perfekte natürliche Kochtopf für das größte amerikanische
Landsäugetier! Guten Appetit.
Die größte Attraktion im
Yellowstone Park ist der Geysir Namens Old Faithful. Jeder kennt ihn,
jeder hat ihn schon mal gesehen. Fast genau pünktlich im
zwei-Stunden Takt oder so, speiht der Boden eine Meter hohe Fontäne
aus heißem Wasser und Dampf senkrecht in die Höhe. Als wir in den
Besucherparkplatz einfahren, speiht es mir jedoch fast senkrecht den
Mageninhalt aus dem Mund heraus. Milliarden von Menschen mit Kameras
bewaffnet (beschämt gebe ich zu, dass ich einer von ihnen bin)
stehen um den Geysir herum, um dann mit „ahhhh“ und „ohhhh“
die Spritzerei zu kommentieren. Das gesamte Gebiet ist eingekleidet
mit einer soliden Decke aus Beton und Zement. Riesige Blockhäuser
stehen den Reichen als Hotels zur Verfügung und in mehreren nicht
weniger kleinen Sovenierläden und Restaurants kann das Touristenvolk
noch mehr glitzerndes Geld für noch mehr bescheuerten Kram ausgeben.
Eine Maschinerie des Konsums, die von allen zombiehaft angenommen
wird, ohne zu hinterfragen und die Folgen zu bedenken. Hier sieht man
gut, wie ein natürlicher spiritueller Tempel der amerikanischen
Indianer in einen neo-amerikanischen Tempel zur Anbetung des Geldes
verwandelt wurde. Und die Kirchengänger sind sehr gläubig und
unzählbar. Doch keine Sorge, wir nehmen uns da nicht komplett raus.
Aber immerhin sind wir so verstört, dass wir so schnell es geht das
Weite suchen und anderen Dingen nachgehen.
Südlich von Yellowstone
liegt ein kleiner aber landschaftlich weitaus spektakulärerer Park,
der Grand Teton Nationalpark. Er steht zwar im Schatten von
Yellowstone ist aber abgesehen von dessen heißen Quellen viel
cooler. Auf einem minikleinen Gebiet schießen dicht gepackt fast
4000m hohe Berge aus dem Boden, umgeben von Seen und Flüssen. Wie
eine Miniversion der Alpen, die aber nur aus Mount Blancs und
Großglockners besteht. Bei einer kleinen Wanderung am Fuße des
Teton entdecken wir zwei Seen. Das Wasser ist kristallklar und warm.
In dem äußerst gemütlich wirkenden umgebenden Nadelwald hüpft an
jedem Baum ein Eichhörnchen und andere Nagetiere herum. Absolute
Stille umgiebt die Szenerie und die Sonne macht alles so schillernd
und warm, dass ich am liebsten mit der Landschaft verschmolzen würde.
Wir streifen unsere Kleidung ab und gleiten in das angenehme Wasser.
Es tut so gut den Schweiß vom Körper zu schwimmen. Ein großer
flacher Stein direkt am Wasser läd gerade zu ein sich auf ihm zu
aalen und zu genießen. Der Wanderweg scheint weit genug entfernt.
Wir mussten 50m durch das dichte Baumdickicht durch, um zum Wasser zu
gelangen. Also lassen wir uns komplett fallen und tun, was man in
solch einer Sitaution nun mal tut. Der Stein liegt am Anfang einer
kleinen Bucht. Als auf der anderen Seite plötzlich zwei Großeltern
mit ihrem Enkelkind auf die uns gegenüber liegenden Felsen aus dem
Wald hinaustreten, schreckt Becky hoch. Der Schreck am anderen Ufer
war aber mit Sicherheit um ein Vielfaches größer denn wir können
gerade noch die verwirrten Stimmen der Großeltern hören. Nach einem
ungläubigen Wirrwarr aus „Ähhhh, mhhhh, ist das wirklich … das
sieht ja aus wie …“, vergingen keine zwei Sekunden, dass die drei
auch schon wieder verschwunden waren, hinein in den schützenden,
unschuldigen Wald! Ein Hoch auf die Hippierevolution, doch bei vielen
ist sie noch nicht angekommen.
Wir kehren zum gleichen
Zeltplatz zurück, an dem wir auch schon die Nacht zuvor geschlafen
haben. An einer kleinen Kiesstraße ab vom Highway, zwischen beiden
Nationalparks, entdeckten wir am Vortag ein kleines Flüsschen mit
einer Niesche, auf der ein Auto Platz fand. An allen Nieschen davor
standen Schilder auf denen zu lesen war: „Nicht Campen, kein
Feuer!“. An unserer Niesche gabs aber kein Schild, also sollte sie
auch diese Nacht wieder unser Lager sein. Im Yellowstone gibt es
keine Möglichkeit kostenlos zu zelten. 16 Dollar ist das billigste
was geht. Die 16 Dollar kann sich aber die Parkadministration mal
kräftig in den Arsch stecken!!! Wir, als mündige und
verantwortungsbewusste Bewohner dieses Planeten bezahlen doch keine
16 Dollar, um unser kleines Zelt auf zwei Quadratmeter Boden stellen
zu dürfen. F***t euch, ist unsere Antwort darauf. Dieser Planet ist
unverkäuflich.
Bei all unserem
rebellischen Verhalten einigen wir uns wenigstens darauf kein Feuer
zu machen, um die Affen nicht unnötig in Wallung zu bringen. Ich
baue sogar nicht mal unser Zelt auf, sondern rolle lediglich die
Isomatten auf der Lichtung neben dem Weg aus und lege die Schlafsäcke
darauf. Becky kocht währenddessen das Abendessen. Bei meinem Weg
zurück zu ihr rieche ich Rauch. „Die Kartusche des Kochers ist
gerade alle gegangen“, sagt sie neben einem kleinen Feuer hockend
mit dem rusigen Topf darauf. „Wir schon klar gehen“, sage ich. In
zwei Minuten sind die Nudel fertig, als ein Truck vorbei fährt. Der
Mann hält und sagt: „Ihr wisst schon, dass es ein Feuerverbot
gibt?! Wenn das ein Ranger sieht, dann steckt ihr tief in der Tinte.
Die werden euch verhaften!“. „Ja, das wissen wir. Unser Gas ist
gerade ausgegangen und in zwei Minuten werden wir das Feuer löschen.
Wir passen auf.“, erwidert Becky. Der Mann nickt und fährt weiter.
Die Nudeln schmecken
außergewöhnlich gut und nachdem wir alles beseitigt haben, putzen
wir unsere Zähne, um uns dann in unsere Schlafsäcke zu mummeln und
Sternschnuppen zu beobachten. Becky pullert gerade hinter einem Busch
und ich putze meine Zähne auf dem Beifahrersitz, als ein Licht
unsere Niesche erhellt. In den zwei Stunden wie wir da waren, sind
ein paar Leute vorbei gefahren. Doch diesmal scheint wieder jemand
gehalten zu haben. Interessiert mich nicht. Ich putze jetzt Zähne.
Wenn jemand was will, soll er kommen. Doch niemand kommt. Ich steige
aus, zur gleichen Zeit als Becky aus ihrem Busch raus kommt. Ein
Ranger parkt ein paar Meter von uns entfernt und leuchtet unser Tun
mit seiner Taschenlampe aus.
„Guten Abend!“, fängt
er an. Wir erwidern die Grüße. „Ihr könnt hier nicht campen!“,
sagt er.
Wir stellen uns dumm. „Oh,
wirklich nicht?“.
„Nein, aber nicht weit
von hier gibt es einen kostenlosen Campingplatz. Habt ihr ein Feuer
gemacht?“.
Wir schauen auf die drei
Steine, auf denen unser Topf stand und die dazwischen liegenden drei
nassen Kohlen, die Überreste unseres Feuers.
„Ähhhm, jaaa, wir haben
ein sehr kleines Feuer gemacht. Uns ist das Gas ausgegangen und so
mussten wir auf dem Feuer weiterkochen. Dann haben wir einen Eimer
Wasser drüber gekippt. Hat sie jemand gerufen?“
„Ja, ich habe eine
Meldung von einem anonymen Anrufer bekommen.“, erklärt er uns.
„Aha“, sagen wir und
blöder Arsch denken wir.
Jetzt will er auch noch
unseren Führerschein sehen. Warum gerade den Führerschein? Weil
sich in den USA alle mit dem Führerschein ausweisen. Die meisten
besitzen gar keinen Personalausweis. Nur wer keinen hat (eine
klitzekleine Minderheit), muss einen beantragen. Ich gebe ihm meinen
deutschen Perso mit dazu, nur um zu sehen was passiert.
Erstaunlicherweise
akzeptiert er beide Dokumente und verschwindet in seinem Truck. Nach
einer Weile muss ich ihm erklären, dass Rodewisch mein Geburtsort
und nicht mein Nachname ist (obwohls in Englisch drauf steht) und
dann ist er zufrieden und belässt es bei einer Belehrung. Als er
wieder weg ist, packen wir trotz Müdigkeit unsere Sachen und finden
letztendlich den Campingplatz, über den wir davor Nichts erfahren
haben.
Fortsetzung folgt ...
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