Munnar war klasse. Das erste Mal in Indien haben wir es geschafft alleine zu sein. Ohne weitere Leute (Inder). Dazu mussten wir nur mit dem Bus ins nahe gelegene Silent Valley fahren und in die hoch gelegenen Teeplantagen wandern. Eigentlich wollten wir querfeldein, dann einem Wasserfall folgend eine der gras bewachsenen Steilwaende auf den hoechsten Berg der Umgebung hochlaufen. Doch nachdem wir nach US-Marine-Manier es endlich schafften den in 30min den 80m breiten Wald-Dschungel-Streifen zu durchlaufen, um zur Steilwand zu gelangen, blieben wir in einer darauffolgenden Kletterpassage stecken. Es hatte ja auch niemand ahnen koennen, dass die Wand dann doch so steil war. Obwohl ich als erfahrener Bergmann es eigentlich von unten haette sehen muessen. Um ganz ehrlich zu sein, habe ich es auch gesehen, wollte mir jedoch die Niederlage nicht eingestehen.
Viele wissen, dass ich in sportlichen Angelegenheiten meine Faehigkeiten gar zu gerne auf andere projeziere und dann in Teammitglieder Erwartungen stecke, die nicht erfuellt werden koennen. Das ist ein typisches Wunschdenken von mir.
Ich moechte schoene Bergerlebnisse mit allen teilen. Dabei muss es aber immer mein Weg sein, bei dem aber nun mal viele nicht mithalten koennen. So entstehen dann meinerseits voellig unrealistische Fehleinschaetzungen von Situationen.
Jedenfalls gab es dann ein kleines Bergdrama mit ein paar Traenen und einer Neubewertung des Falles. Und diesmal habe ich mich gezwungen fair zu sein und nicht egoistisch zu denken. Entweder alle kommen hoch oder alle kehren um. Was zaehlte war dabei nicht die Mission. Wir hatten dann trotzdem eine tolle Nacht an einem Bach mit Lagerfeuer und Reis.
Meinen Triumph habe ich dann doch noch bekommen.
Am naechsten Tag sind die anderen abgestiegen und ich bin mit Arthur (einer der beiden Beligier) auf einem anderen Weg hoch.
Wieder durchquerten wir den Waldstreifen, jedoch an einer anderen Stelle, suchten uns einen abenteuerlichen Weg ueber den Wassefall, um endlich auf den Grashang zu gelangen, auf dem wir parallel zum Wasserfall zur Spitze laufen wollten.
Wenn ich Waldstreifen sage, so meine ich nicht einen "aufgeraeumten" deutschen Nutzwald, sondern eine gruene kompakte Wand. Deswegen haben wir auch fuer die ersten 200m Wegstrecke 1,5h gebraucht und waren danach am ganzen Koerper mit kleinen blutenden Mikroschnitten sowie Pflanzen-und Erdteilen uebersaeat.
Oben hat sich uns ein fantastischer Blick auf die anderen Berge und die Teeplantagen unter uns geboten. Jedoch hat mir dieser Hoellenaufstieg fast die Lunge zerissen, da ich seit 2 Tagen etwas angeschlagen war. So hat es mich dann mal wieder vollends ausgenockt - eine Supererkaeltung mit Ohrenentzuendung.
Den darauffolgenden Tag haben wir uns alle verabschiedet und jeder ging seit ueber 2 Monaten wieder seiner eigenen Wege. Ich bin zurueck nach Cochin gefahren und habe mir ein Zugticket nach Delhi gekauft. Da ich aber erst 3 Tage spaeter einen Schlafpatz im Direktzug bekommen habe, verbrachte ich die Zeit bis dahin in einem netten Guesthouse am Meer. Dort habe ich seit ueber 3 Monaten mal wieder tierischen Kadaver gegessen. Es gab Shrimps und Kingfish auf eine solch bezaubernde Art und Weise zubereitet, dass ich bei dem Genuss eine neue geschmackliche Erleuchtung erfahren habe.
Am 14. habe ich dann um 18.00 Uhr meine Zugfahrt angetreten, die 48 Stunden dauern sollte. Und sie war voellig entspannt. Ich habe fast ausschliesslich geschlafen und zum 2. Mal "die Prophezeiungen von Celestine" gelesen. So vergingen die 2 Tage wie im Flug. Ein Flug direkt in die Hoelle. Delhi - die Hoehle des Loewen.
Ich habe die allerersten Horrortage in Indien nicht vergessen und bereitete mich deshalb schon Stunden vor der Ankunft mental darauf vor.
Meine Strategie: den Bahnhof nicht verlassen und sofort ein Ticket fuer den naechsten Himalayazug kaufen, selbst wenn es keine Sleeperclass mehr gebe; dubiose Rikshafahrer und "Freunde" agressiv abwehren; Bettler ignorieren; die Ohrenstoepsel bis zum Anschlag reinschieben und mir permanent mein Mantra aufsagen ("bleib ruhig und gelassen, es geht vorbei!").
Mit ein wenig karmischer Unterstuetzung (habe mir ja die letzten Tage nix zu Schulden kommen lassen), so dachte ich, bin ich aus dem Moloch so schnell wieder draussen wie ich reingekommen bin. Das hat auch weitestgehend funktioniert - 4h spaeter sass ich im Anschlusszug - aber bis dahin war es wieder ein langer und harter Weg. Ich beschreibe ihn kurz stichpunktartig. Ankunft in Delhi; bin am falschen Bahnhof; ewige Suche nach einem Zug Richtung Himalaya; kurze Zugfahrt nach Neu Delhi; 1h in Schlangen vor Ticketschaltern anstehen; viele verschiedene widerspruechliche Infos vom Personal erhalten; Ratlosigkeit; Fahrt mit der Metro nach Old Delhi; weitere Stunde Anstehen in Schlangen; wieder verschiedene Infos; Verzweiflung; endlich Ticketkauf; Erloesung.
22.00 Uhr sah ich wie in Old Delhi Bahnhof mein Zug nach Rishikesh einfuhr. Dass ich diesmal kein Sleeperticket sondern nur 3. Klasse hatte war mir egal. Um alles in der Welt so schnell wie moeglich raus aus der Kali-Hauptstadt und da war das die einzige Moeglichkeit.
Der Ticketverkaeufer hat mir grinsend noch folgenden Tip gegeben: Versuch der erste zu sein. Ist der Zug voll, presse dich mit aller Gewalt trotzdem rein. Ist er wirklich voll, klettere auf ihn drauf. Viel Glueck!!!
Na toll, dachte ich. Was kann denn das jetzt werden, wenn selbst der Ticketverkaeufer schon so was sagt.
Und da kam er, mit 15km/h eingefahren. Ich war bereit, Rucksack gesattelt, fertig zum relaxten Einsteigen. Das sah allerdings folgendermassen aus: Ploetzlich begannen alle Menschen zu schreien und wie wild neben dem Zug herzurennen und aufzuspringen. Mein einziger Gedanken war: verdammt was geht hier ab?! Verpass ich was ? Ich muss das jetzt auch machen!!! Also bin ich losgerannt, einer der offenen Tueren hinterher. Dann einen der Griffe krallen, aufspringen und erst mal ne Weile bloed rumhaengen, da natuerlich schon 5 Inder wie ein menschlicher Pfropfen an der Tuer aussen rumbaumeln. Da alle gleichzeitig rein wollen, das aber logischerweise nicht geht, verweilt man kurz in dieser Situation. Dann macht es "flupp" und der erste Inder flutscht ins Zuginnere, woraufhin auch der Rest des Pfropfens zuegig einstroemt. Als naechstes rennt man mit weit aufgerissenen Augen durch den Wagon, um einen der heiss begehrten Sitzplaetze zu ergattern. Sofern dieser Fall eintritt, sofort den Rucksack auf die darueber befindliche Ablage schmeissen und die Arschbacken augenblicklich mit den Holzlatten der Sitzbank verschmelzen lassen, um bei den darauf folgenden Streitereien und Kaempfen das Privileg ja nicht wieder zu verlieren.
Ich war einer der Gluecklichen und sass nun mit breitem Grinsen da, zum einen wegen meines Erfolges, zum anderen amuesiert darueber wie diese ganze Prozedur abgelaufen ist. Nun musste ich nur noch darauf hoffen waehrend der Fahrt nicht auf Toilette zu muessen und dann waere alles gut.
Innerhalb von 2min war der Zug voll. In den ersten 2h hat ein junger Inder die Stimmung im Wagon als Alleinunterhalter und Komiker alla Robert Nolde oder Jan Scherkus auf einem sehr hohen Niveau gehalten. Wo sich die Leute vorher noch fast die Koepfe um Sitzplaetze eingehauen haben, lagen sie sich dann kurze Zeit spaeter alle vor Lachen in den Armen. Der Typ war ja auch endslustig, obwohl ich ich gar nix verstanden habe. Seine Mimiken und Gestiken und das Lachen der anderen haben mich aber einfach mitgezogen.
Nach den naechsten Stationen bekam das Wort "voll" eine ganz neue Bedeutung. Die Leute sassen schon auf den Gepaeckablagen ueber den Sitzen und die Gaenge waren mit Menschen zugestellt. Trotzdem stroemten immer mehr in den Zug, sodass langsam neue Ebenen eroeffnet wurden: Menschenschicht ueber Menschenschicht.
Ein alter Opa wurde von der im Gang befindlichen Masse einfach ueberollt, sodass nur noch sein Kopf in Kniehoehe zwischen den anderen hervorschaute. Stoehnend klemmte er so fuer 15min in dem Brei, bis mal jemand auf die Idee kam den alten Mann aufzuheben.
Ich haette von der Szenerie wirklich gerne ein Video gemacht, da ihr euch einfach nicht vorstellen koennt, wie das ablief.
Der Zug brauchte anstatt der angeblichen 4h tatsaechliche 8h, weswegen ich die komplette Nacht nicht geschlafen habe. Nach kurzem Aufenthalt in Haridwar habe ich den 3. und letzten Zug nach Rishikesh genommen und war zur Mittagszeit, nach 70h Monstertrip da.
Nach dem Einchecken im Shivaguesthouse folgte erst mal ein langer Schlaf bis zum Abend. Voellig erfrischt ging ich dann am Ganges in den letzten Sonnenstrahlen spazieren, schlenderte durch die Stadt, ass ein Thali und traf wie durch schicksalhafte Fuegung in einem Cafe auf Helga die Islaenderin und fuehrte mit ihr ein 4 stuendiges warmherziges Gespraech. Die erste tolle Person eines neuen Abschnittes meiner Reise. Ein Abschnitt der, denke ich viel Abenteuer fuer mich bereit haelt.
Jedenfalls gefaellt mir Rishikesh jetzt schon total. Und ich kann es kaum erwarten auf den naechst besten Huegel zu steigen und das erste Mal das eigentliche Objekt der Begierde meiner Indienreise aus der Ferne zu betrachten - das Himalayagebirge.
18.2.09
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4 Kommentare:
Ich habe beim Lesen deiner Zugerlebnisse herzhaft und ausgiebig gelacht, so wie lange nicht mehr.
Danke für den Spaß.
Gruß von Mudi
Hi Felix du Wilder, nun auch endlich mal ein Briefchen von der Elke. Danke für deine wunderbaren Reiseberichte-so ein Schreibtalent...Wenn Ari und/oder Sven mal da sind, sitzt du auch immer mit am Tisch und wir reden über Felix und die Welt-neidisch,ängstlich (Stiche am Hintern),da wollen wir nie hin, oder guck doch mal in den Atlas wo das überhaupt ist, naja alles sowas eben. Auf alle Fälle kommen auch immer wieder alte Kamelle deiner frühen Jugend:)
Mach für mich ein Holadrio im Himalaya
mach ich elke. mach ich. hole mir in 10min mein motorrad ab und cruise fuer dich mit einem langen holadrio durch die anfaenge des himalaya.
Wat los in der Ferne, nix oder zu viel und eine Zeit zum Schreiben?
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