31.8.12


Die letzten Tage in Portland waren dominiert von Besen, Putzlappen und Schweiß. Melissa, die Hausbesitzerin, hat einen kompletten Dachschaden, was die Hausübergabe anbelangt. Sie hat Vorstellungen von Zahnbürsten, die über Fließenfugen schrubben und kündigte an, trotz absoluter Reinlichkeit im fürs menschliche Auge wahrnehmbaren elektromagnetischen Spektrum, mit einer Schwarzlichtlampe in die Ecken eines jeden Raumes zu kriechen, um Katzenpisse sichtbar zu machen, um daraufhin hysterisch zu reagieren, was das für eine Unverschämtheit sei, das Haus in diesem Zustand zu hinterlassen. Ihr Wunsch war es mehr oder weniger das Haus wie bei der Schlüsselübergabe zur Ersteinweihung zu übergeben, mit anderen Worten: in fast Neuzustand.
Das Problem war, dass die drei Mädels viel Geld für Sicherheitskaution sowie Reinigungskosten bei Vertragsbeginn hinterlegen mussten, was bei dieser ganzen lächerlichen Putzerei auf dem Spiel stand. Also blieb uns nichts anderes übrig als eine Woche lang wie bessen unsere Zeit mit Reinigung zu verbringen.

Nach vollendetem Werk stehe ich vor dem gepackten Auto. Unweigerlich stelle ich die Parallelen zu meinem Vater fest. Es dauert zwar immer seine Zeit, doch wenn er fertig ist, dann steckt in einem Kofferraum meist ein Drittel mehr an Gegenständen, als bei anderen Leuten. Jedes noch so kleine Plätzchen wurde von mir mit einem passenden Artikel gefüllt. Das ging soweit, dass ich sogar die Unterwäsche von Becky in die Felge des Ersatzrades gestopft und somit eine kleine Kiste eingespart habe, die sonst in den Kofferraum hätte passen müssen. Das Auto weckt Erinnerungen an ein vollendetes Level des Computerspiels Tetris – gerade noch genug Leervolumen, um uns mit genügend Sauerstoff zu versorgen.
Mit einem guten Gefühl rollen wir aus Beckys Seitenstraße raus, nur, um uns 15min später in einem zermürbenden Rush-Hour-Stau wieder zu finden. Der erste wirkliche Stau seit vielen Jahren, doch eine Stunde später sind wir draußen und fliehen vor der Sonne, die schon tief am Horizont steht, Richtung Osten, immer weiter Richtung Osten – für die nächsten 5500 km.

Dafür, dass wir erst Abends um sechs aus der Stadt raus gekommen sind, schaffen wir erstaunlich viel Strecke. Irgendwo im Nirgendwo von Washington schlagen wir mitten in der Nacht in der widerborstigen Höhenwüste neben einem Rinder-Konzentrationslager unser Zelt auf, nur um unsere Körper mit Schlaf zu nähren, um am nächsten Tag so schnell wie möglich von diesem Gruselort zu verschwinden und mehr Kilometer zu schrubben.
In voller Erwartung überqueren wir die Grenze von Washington nach Montana. Sicher, ich habe die Rocky Mountains schon in Canada gesehen und war sichtlich beeindruckt, doch aus irgendeinem Grund erwarte ich von den US-Rockys noch mehr. Vielleicht liegt es daran, dass die Ammis alles Erdenkliche für sich als Superlative verbuchen wollen, um bestehende Komplexe zu kompensieren. Meine Hoffnungen werden nicht erfüllt. Die Fahrt ist zwar ganz schön, aber lange nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Umso aufgeregter blicke auf die nächsten Tage im Yellowstone Nationalpark, einer der berühmtesten und ältesten der Welt (und da ist wieder ein Superlativ).
Außerhalb von Bozeman campen wir im Gallatin Canyon, nördlich von Yellowstone, um dort erst noch die örtlichen Kletterfelsen auszutesten. Schon in Portland recherchierte ich über diesen Spot. Allerdings wäre es hoffnungslos gewesen bei der Menge an Felsen und Cliffs die von mir rausgesuchten zu finden. Doch wie der Zufall es will, finden wir bei einem Spaziergang an mehreren Wänden eine Unzahl an gebohrten Routen. Leider ist nichts für Becky dabei, da so gut wie alle Routen zu schwierig sind. Dafür kann ich mich umso mehr austoben.
Wir haben gerade unser Abendessen beendet und sind neben dem Feuer kuschelnd zum Wein übergegangen, als es wieder einmal unweit von unserem Camp im Unterholz kracht. Und wieder dauert es keine halbe Sekunde, dass unsere Körper vor Adrenalin zittern. So langsam gehen mir diese scheiß Bären richtig auf den Sack, denke ich mir und fange mittlerweile routinemäßig an so laut es geht rumzubrüllen. Unser Camp liegt hineingeschmiegt in einer relativ großen Halbhöhle, aus der alle widerlich aussehenden Kletterrouten heraus führen. Das Lagerfeuer zündelt keine vier Meter neben der Felswand, die Decke auf der wir liegen ist dazwischen platziert und direkt hinter dem Feuer geht es 200 m den bewaldeten Hang hinunter, bis zu der kleinen Kiesstraße, auf der unser Auto steht. Wir liegen ziemlich bequem, Dank unserer Matratzen, denn das kleine Plateau zwischen Abhang und Felswand ist mit einer dicken Schicht aus Faustgroßen Steinen bedeckt. In diesem Fall glücklicherweise, muss ich sagen, denn parallell mit unserem Rumgeschreie können wir sofort anfangen den Steilhang unter uns zu bombardieren, von wo aus das Knacken kam.
„Zurück zum Auto, einen anderen Platz suchen?“
„Hmmm, alles zusammenpacken und zum Auto runterschleppen, um dann irgendwo hin zu fahren?“, erwidere ich. Außerdem bin ich ziemlich müde und der Wein knallt in meinem Kopf.
„Irgendwie habe ich keinen Bock auch nur einen Finger zu rühren. Der wird schon abhauen.“, sage ich.
Unruhig legen wir uns wieder hin und dösen weiter. Zwanzig Minuten später kracht es wieder, definitiv nicht weit von uns, diesmal aber von weiter links. Somit ist klar, dass es kein Reh ist. Diese sind nämlich nicht neugierig und tendieren eher dazu sich in die entgegengesetzte Richtung von Menschen zu bewegen, ganz im Gegensatz von Bären. Und noch dazu bei dem Zirkus, den wir erneut veranstalten. Doch wieder können wir uns einfach nicht aufraffen ein neues Revier zu suchen und gleiten erneut zurück in den angenehmen Halbschlaf. Dann widerholt sich das ganze Spiel noch zwei drei Mal, bis wir plötzlich am Morgen aufwachen und und feststellen, dass Nichts gefährliches passiert ist und wir sogar recht gut geschlafen haben.

Es ist ziemlich früh für unsere Verhältnisse und trotzdem hat sich schon eine Schlange vor dem Westeingang in den Nationalpark angestaut. Mittlerweile sind wir richtig froh, dass wir vor ein paar Wochen bei unserem Trip entlang der Westküste uns einen Jahrespass für alle Nationalparks gekauft haben. Bei den vielen Parks und Monuments, die wir schon besucht haben, hätten sich die jedesmal anfälligen 20 oder 25 Dollar zu einem unakzeptablen Haufen aufgeschichtet. Ganz cool halten wir unseren Jahrespass aus dem Fenster und werden an der Kontrollstation durchgewunken. Becky und Ich hatten bereits einige Gespräche über dieses Thema und wieder diskutieren wir hin und her. Grundsätzlich sind wir einer Meinung. Es fühlt sich einfach falsch an für eine natürliche Attraktion Geld von den Menschen zu kassieren. Mit welcher Rechtfertigung? Für den Naturschutz, wird behauptet. Ranger müssen angestellt werden, die aufpassen, dass alles seine Ordnung hat, dass die Leute nicht wild rumcampen, keine Feuer machen, wo es icht vorgesehen ist, keine Tiere schießen, Pflanzen pflücken, auf den Wegen bleiben, usw. Das kann ich ja mehr oder weniger verstehen. Aber wie siehts mit den vielen schicken Teerstraßen aus, die den Park durchqueren? Oder die fetten Lodges, die gebaut werden, um den Leuten eine 5-Sterne Unterkunft zu bieten, sowie Restaurants und dämliche Ramschläden. Und das war noch nicht alles an Unsinn. Das Problem ist, dass wie ich denke, Nationalparks in den USA vermarktet werden. Sie sind eine fette Goldkuh, die schön kontinuierlich gemolken werden. Und das Beste ist, dass die Kuh nicht erst aufgezogen werden muss – nein, sie war von Anfang an da, schon lange bevor die ersten Indianer durchs Land streiften. Und dann brauchte es nur noch einen pfiffigen, dicken weißen Mann mit Zigarre im Mund, der genug Geschäftsverständnis hatte und alles in die Wege leitete, um die Euter so richtig auszuquetschen. Natürlich muss Naturschutz sein und dafür braucht es Menschen und Systeme, doch die könnten zum Beispiel von Steuergeldern bezahlt werden, da das Nationalparksland ja sowieso (zumindest theoretisch) dem Volk gehört. Da die Prioritäten der Regierung aber eher auf Militärausgaben liegen, bleiben eben Dinge wie das Instandhalten von Nationalparks oder ein gutes Krankenkassensystem auf der Strecke. Was mich besonders ärgert ist der Umstand, dass nun die Leute, die es sich nicht leisten können, niemals in einen Nationalpark fahren, um sich ihr eigenes Land anschauen zu dürfen – weil sie das Geld nicht haben!
Wir haben nun aber das Geld und fahren rein. Im Laufe der Jahre haben sich meine Erwartungen in fast unerreichbare Höhen geschraubt, was Yellowstone betrifft. Als einer der größten Parks in den USA und der allererste überhaupt, mit einer einzigartigen Vielfalt an Tierarten und die weltweit dichteste Ansammlung von geothermalen Besonderheiten – da stellt man sich halt was ganz besonderes vor. Doch wie schon von den Rockys sind wir nicht wirklich beeindruckt. Logischerweise ist es schon toll, aber lange nicht so, wie der Park in den Medien und sonst überall gehypt wird. Wir fahren durh viel Wald und am Horizont erheben sich mittlere Berge und Hügel, nichts, was es nicht auch auf der 4000 km Strecke zwischen Vancouver und Whitehorse jeden Tag zu sehen gibt. Um genau zu sein, ist der gesamte Westen Kanadas deutlich beeindruckender als Yellowstone. Als die ersten Geysire und heißen Quellen auftauchen, ändert sich das aber schlagartig. Hier wird mir die Besonderheit bewusst. Zwar finde ich den Hype immer noch total überzogen, doch die Vulkanaktivität ist schon wirklich toll.

Wir rollen aus dem Nadelwald in eine riesige baumlose Wiesenlandschaft.
„Warum wachsen hier schlagartig keine Bäume mehr?“, fragen wir uns gegenseitig. Ein paar Kilometer weiter vorraus erahne ich die Antwort. Überall dampft aus der flachen Erde, hier und da schießt eine heiße Wasserfontäne aus dem Boden. Wir parken das Auto und reihen uns in die Menschenmassen ein, die den Holzsteg durch die Geysirlandschaft entlangrollen. Man findet alles, was das Geologenherz begehrt: Teiche gefüllt mit kochendem, blubberndem Schlamm, speihende Geysire, kreisrunde Becken mit heißen Quellen und Löcher, aus denen unter Hochdruck und mit röhrendem Lärm Dampf heraus schießt. Bei einem der Stege kommen wir an einem besonders schönen heißen See vorbei. Er ist kreisrund und wird unerlässlich vom Grund mit kochendem Wasser aufgefüllt, welches dann über den Rand hinweg an allen Seiten herunterläuft. Je nach Wassertemperatur siedeln sich unterschiedliche Bakterienkulturen an, die jeweils eine andere Farbe haben. In der Tiefe des Sees, wo es besonders heiß ist, strahlt alles in einem reinen Blau, das weiter oben ins Türkis übergeht und dort wo das Wasser wie in dicken Adern vom Rand hinunter in die Grasebenen fließt, liegen dicke Matten von orangen und roten Bakterienkolonien in den Wasserläufen. Leider können wir nicht das ganze Ausmaß des Spektakels sehen, bis ich auf einem der umliegenden Hügel Menschen herumlaufen sehe.
Wir entschieden, dass uns ein Spaziergang mal gut tun könnte, nach all den unzähligen Stunden Rumgesitze im Auto und steuern den Hügel an.

„Ich würde nicht so nah an das Becken rangehen“, sagt die Frau aus der Gruppe hinter mir, die mich dabei beobachtet, wie ich etwas weniger als zwei Meter vom Beckenrand entfernt in das strahlend blaue, tiefe Loch schaue und versuche Fotos zu schießen. „Der Beckenrand ist of sehr instabil und kann einbrechen. Die Mineralien lagern sich nicht selten als dünne Überhänge ab. Man meint auf stabilen Grund zu stehen, bis man urplötzlich in dem kochend heißem Wasser des Beckens herumstrampelt und blanchiert wird. Bisons fallen da immerzu rein. Aber das scheint den jungen Herrn ja nicht zu interessieren, denn er ignoriert mich vollkommen.“, sagt sie. Ich bin so mit meiner Kamera beschäftigt, dass ich sie wirklich mehr oder weniger ignoriert habe, auch weil ich dachte, dass sie zu dem Jungen aus ihrere Gruppe geredet hat. Ein gestelltes, überraschtes „ohhh“ verlässt meinen Mund, als ob ich mir nicht im Klaren wäre, was ich täte. Ich habe doch genau gesehen, dass diese Becken keinen Überhang hat und außerdem, ich war ja noch realativ weit vom Rand weg. Da will sich wieder nur jemand wichtig machen und in die Angelegenheiten anderer einmischen, denke ich mir. Und trotzdem – Bisons fallen da immerzu rein, hallt es in meinem Kopf nach. Blanchiert. Blanchiert – wie eine kleine rote Tomate. Und jeder, der mal Tomaten blanchiert hat, weiß leicht es dann ist, die Haut abzuziehen. Autsch, autsch, das klingt irgendwie nicht so angenehm. Und dabei sieht das wunderschöne Blau und die perfekte runde Form der heißem Quelle doch so einladend aus. Mein Foto ist zwar nicht das geworden, was es werden sollte, aber ich will der guten Frau ihren Sieg in Sachen lehrerhaften Belehrungen lassen und entferne mich vom Todesloch, zurück auf den Weg.
Der Weg auf den Hügel ist interessanter als ich dachte. Es gibt zwar sowas wie einen Pfad, doch der ist eher inoffiziell. Der Boden besteht so gut wie ausschließlich aus Asche und Staub und wir müssen einige herumliegende Bäume übersteigen. Für mich ist das eher nervig, doch Becky hat sogar Angst. Trotzdem schaffen wir es nach oben. Beim Aufstieg habe ich mich gezwungen nicht nach hinten zu sehen, um die Überraschung nicht vorweg zu nehmen. Ich warte bis Becky bei mir ist und zusammen drehen wir uns um. Der Blick ist überwältigend. In den schillernsten Farben, die ich je in Natur gesehen habe, liegt der See unter uns, vor einer unberührten Kulisse. Fast künstlich und äußerst bizarr wirkt das Ganze. Wir brauchen bestimmt 15 Minuten um die Schönheit aufzusaugen.
Wieder auf dem Rückweg, kommen wir erneut an dem Pool vorbei, wo mir die achtsame Frau eine Belehrung erteilt hat. Diesmal sind wir allein und diesmal gehe ich noch näher ran, um einen besseren Blick zu erhaschen. Irgendwie halte ich von den in die heißen Quellen fallenden Bisons nicht viel. So'n Quatsch, denke ich. Die leben hier die ganze Zeit. Die wissen doch bestimmt, dass die Dinger gefährlich sind. Kurz vor dem Rand bleibe ich stehen und beuge mich vor und … falle nicht rein. Aber wer hätte das gedacht – unten am Grund liegt zwischen Ästen und Stämmen ein weißes, perfekt konserviertes Hüftskelett. Es ist ein großer Hüftknochen, von einem Bison würde ich sagen. Da war die Warnung von kochenden Bisons dann also doch nicht so albern. Und ich kann mir gut vorstellen, dass alles was keine Krallen oder Finger hat und sich in einem dieser Löcher widerfindet, schlechte Chancen hat dort raus zu kommen. Der Pool ist nicht breit, vielleicht zwei oder drei Meter im Durchmesser, jedoch bestimmt drei/vier Meter tief – der perfekte natürliche Kochtopf für das größte amerikanische Landsäugetier! Guten Appetit.

Die größte Attraktion im Yellowstone Park ist der Geysir Namens Old Faithful. Jeder kennt ihn, jeder hat ihn schon mal gesehen. Fast genau pünktlich im zwei-Stunden Takt oder so, speiht der Boden eine Meter hohe Fontäne aus heißem Wasser und Dampf senkrecht in die Höhe. Als wir in den Besucherparkplatz einfahren, speiht es mir jedoch fast senkrecht den Mageninhalt aus dem Mund heraus. Milliarden von Menschen mit Kameras bewaffnet (beschämt gebe ich zu, dass ich einer von ihnen bin) stehen um den Geysir herum, um dann mit „ahhhh“ und „ohhhh“ die Spritzerei zu kommentieren. Das gesamte Gebiet ist eingekleidet mit einer soliden Decke aus Beton und Zement. Riesige Blockhäuser stehen den Reichen als Hotels zur Verfügung und in mehreren nicht weniger kleinen Sovenierläden und Restaurants kann das Touristenvolk noch mehr glitzerndes Geld für noch mehr bescheuerten Kram ausgeben. Eine Maschinerie des Konsums, die von allen zombiehaft angenommen wird, ohne zu hinterfragen und die Folgen zu bedenken. Hier sieht man gut, wie ein natürlicher spiritueller Tempel der amerikanischen Indianer in einen neo-amerikanischen Tempel zur Anbetung des Geldes verwandelt wurde. Und die Kirchengänger sind sehr gläubig und unzählbar. Doch keine Sorge, wir nehmen uns da nicht komplett raus. Aber immerhin sind wir so verstört, dass wir so schnell es geht das Weite suchen und anderen Dingen nachgehen.

Südlich von Yellowstone liegt ein kleiner aber landschaftlich weitaus spektakulärerer Park, der Grand Teton Nationalpark. Er steht zwar im Schatten von Yellowstone ist aber abgesehen von dessen heißen Quellen viel cooler. Auf einem minikleinen Gebiet schießen dicht gepackt fast 4000m hohe Berge aus dem Boden, umgeben von Seen und Flüssen. Wie eine Miniversion der Alpen, die aber nur aus Mount Blancs und Großglockners besteht. Bei einer kleinen Wanderung am Fuße des Teton entdecken wir zwei Seen. Das Wasser ist kristallklar und warm. In dem äußerst gemütlich wirkenden umgebenden Nadelwald hüpft an jedem Baum ein Eichhörnchen und andere Nagetiere herum. Absolute Stille umgiebt die Szenerie und die Sonne macht alles so schillernd und warm, dass ich am liebsten mit der Landschaft verschmolzen würde. Wir streifen unsere Kleidung ab und gleiten in das angenehme Wasser. Es tut so gut den Schweiß vom Körper zu schwimmen. Ein großer flacher Stein direkt am Wasser läd gerade zu ein sich auf ihm zu aalen und zu genießen. Der Wanderweg scheint weit genug entfernt. Wir mussten 50m durch das dichte Baumdickicht durch, um zum Wasser zu gelangen. Also lassen wir uns komplett fallen und tun, was man in solch einer Sitaution nun mal tut. Der Stein liegt am Anfang einer kleinen Bucht. Als auf der anderen Seite plötzlich zwei Großeltern mit ihrem Enkelkind auf die uns gegenüber liegenden Felsen aus dem Wald hinaustreten, schreckt Becky hoch. Der Schreck am anderen Ufer war aber mit Sicherheit um ein Vielfaches größer denn wir können gerade noch die verwirrten Stimmen der Großeltern hören. Nach einem ungläubigen Wirrwarr aus „Ähhhh, mhhhh, ist das wirklich … das sieht ja aus wie …“, vergingen keine zwei Sekunden, dass die drei auch schon wieder verschwunden waren, hinein in den schützenden, unschuldigen Wald! Ein Hoch auf die Hippierevolution, doch bei vielen ist sie noch nicht angekommen.

Wir kehren zum gleichen Zeltplatz zurück, an dem wir auch schon die Nacht zuvor geschlafen haben. An einer kleinen Kiesstraße ab vom Highway, zwischen beiden Nationalparks, entdeckten wir am Vortag ein kleines Flüsschen mit einer Niesche, auf der ein Auto Platz fand. An allen Nieschen davor standen Schilder auf denen zu lesen war: „Nicht Campen, kein Feuer!“. An unserer Niesche gabs aber kein Schild, also sollte sie auch diese Nacht wieder unser Lager sein. Im Yellowstone gibt es keine Möglichkeit kostenlos zu zelten. 16 Dollar ist das billigste was geht. Die 16 Dollar kann sich aber die Parkadministration mal kräftig in den Arsch stecken!!! Wir, als mündige und verantwortungsbewusste Bewohner dieses Planeten bezahlen doch keine 16 Dollar, um unser kleines Zelt auf zwei Quadratmeter Boden stellen zu dürfen. F***t euch, ist unsere Antwort darauf. Dieser Planet ist unverkäuflich.
Bei all unserem rebellischen Verhalten einigen wir uns wenigstens darauf kein Feuer zu machen, um die Affen nicht unnötig in Wallung zu bringen. Ich baue sogar nicht mal unser Zelt auf, sondern rolle lediglich die Isomatten auf der Lichtung neben dem Weg aus und lege die Schlafsäcke darauf. Becky kocht währenddessen das Abendessen. Bei meinem Weg zurück zu ihr rieche ich Rauch. „Die Kartusche des Kochers ist gerade alle gegangen“, sagt sie neben einem kleinen Feuer hockend mit dem rusigen Topf darauf. „Wir schon klar gehen“, sage ich. In zwei Minuten sind die Nudel fertig, als ein Truck vorbei fährt. Der Mann hält und sagt: „Ihr wisst schon, dass es ein Feuerverbot gibt?! Wenn das ein Ranger sieht, dann steckt ihr tief in der Tinte. Die werden euch verhaften!“. „Ja, das wissen wir. Unser Gas ist gerade ausgegangen und in zwei Minuten werden wir das Feuer löschen. Wir passen auf.“, erwidert Becky. Der Mann nickt und fährt weiter.
Die Nudeln schmecken außergewöhnlich gut und nachdem wir alles beseitigt haben, putzen wir unsere Zähne, um uns dann in unsere Schlafsäcke zu mummeln und Sternschnuppen zu beobachten. Becky pullert gerade hinter einem Busch und ich putze meine Zähne auf dem Beifahrersitz, als ein Licht unsere Niesche erhellt. In den zwei Stunden wie wir da waren, sind ein paar Leute vorbei gefahren. Doch diesmal scheint wieder jemand gehalten zu haben. Interessiert mich nicht. Ich putze jetzt Zähne. Wenn jemand was will, soll er kommen. Doch niemand kommt. Ich steige aus, zur gleichen Zeit als Becky aus ihrem Busch raus kommt. Ein Ranger parkt ein paar Meter von uns entfernt und leuchtet unser Tun mit seiner Taschenlampe aus.
„Guten Abend!“, fängt er an. Wir erwidern die Grüße. „Ihr könnt hier nicht campen!“, sagt er.
Wir stellen uns dumm. „Oh, wirklich nicht?“.
„Nein, aber nicht weit von hier gibt es einen kostenlosen Campingplatz. Habt ihr ein Feuer gemacht?“.
Wir schauen auf die drei Steine, auf denen unser Topf stand und die dazwischen liegenden drei nassen Kohlen, die Überreste unseres Feuers.
„Ähhhm, jaaa, wir haben ein sehr kleines Feuer gemacht. Uns ist das Gas ausgegangen und so mussten wir auf dem Feuer weiterkochen. Dann haben wir einen Eimer Wasser drüber gekippt. Hat sie jemand gerufen?“
„Ja, ich habe eine Meldung von einem anonymen Anrufer bekommen.“, erklärt er uns.
„Aha“, sagen wir und blöder Arsch denken wir.
Jetzt will er auch noch unseren Führerschein sehen. Warum gerade den Führerschein? Weil sich in den USA alle mit dem Führerschein ausweisen. Die meisten besitzen gar keinen Personalausweis. Nur wer keinen hat (eine klitzekleine Minderheit), muss einen beantragen. Ich gebe ihm meinen deutschen Perso mit dazu, nur um zu sehen was passiert.
Erstaunlicherweise akzeptiert er beide Dokumente und verschwindet in seinem Truck. Nach einer Weile muss ich ihm erklären, dass Rodewisch mein Geburtsort und nicht mein Nachname ist (obwohls in Englisch drauf steht) und dann ist er zufrieden und belässt es bei einer Belehrung. Als er wieder weg ist, packen wir trotz Müdigkeit unsere Sachen und finden letztendlich den Campingplatz, über den wir davor Nichts erfahren haben.

Fortsetzung folgt ...