27.1.11

USA - Washington und Oregon

Die Tage auf Vancouver Island sind in Windeseile verflogen. Eine Party, eine Party dort, mal Snowboarden gegangen und am Bett fuer meinen Van rumgebastelt - ploetzlich war es schon wieder der 10. Januar und mein Visa war nur noch 2 Tage gueltig.

Nach der Ueberfahrt nach Vancouver habe ich die erste Billanz meines neuen Autos gezogen: mir kam das Gruseln! Ich habe von Anfang an eine Kilometer/Benzin-Tabelle gefuehrt und kam nach den ersten 750km auf einen durchschnittlichen Verbrauch von ca. 18L/100km - ein niederschmetterndes Ergebnis. So hab ich mir das nicht vorgestellt. Ich dachte, dass ich mit dem Mazda MPV ein sparsames Auto erworben habe, gerade auch weil alle Qullen im Internet einen Verbrauch von 8-10L versprachen. Da war also schon mal ganz gewaltig was falsch. Hinzu kam ein Nerven zerreibendes Geraeusch aus dem Fahrerluefter ab einer Geschwindigkeit von 60km/h. Und dann hat sich herausgestellt, dass die Raeder nicht mehr "alligned" und die "tie rods" locker sind. Ich weiss zwar nicht was tie rods sind, aber anscheinend duerfen sie nicht lose sein. Deshalb driftet der Waagen auch permanent ziemlich nach rechts und von Fahrstabilitaet und Spur halten, kann ich nur traeumen. Reperatur wuerde mich einige hundert Dollar kosten.
Ist das nicht komisch, da hatte ich zuvor einen Van, der einwand frei fuhr, aber ein paar zu vernachlaessigende Maengel hat, ich ihn aber nicht anmelden kann. Und die groesste Schrottkiste (gekauft beim Haendler) wird ohne Probleme versichert.

Nun ja. Jedenfalls kam ich in Vancouver an und machte mich sofort auf die Mission die im Fruehling gesammelten Pilze in Edelrestaurants zu verkaufen. Leider hatte ich bei den ersten zehn kein Glueck und ich habe den Verdacht bekommen, dass es doch nicht so einfach ist, wie mir alle erzaehlt haben. Am zweiten Tag bin ich ein halbes Pfund bei einem chinseischen Feinkosthaendler losgeworden. Und dann noch mal anderthalb Pfund in einem italienischen Restaurant. Insgesamt habe ich 300 Dollar Ausbeute gemacht (mehr al erwartet) und durfte sogar in dem Italiener den Rest im Keller lagern. Der Chef sagte, dass ich sie im April wieder abholen koenne und dann das Geld fuer Pilze bekomme, die sie zu den zusaetzlich schon gekauften vielleicht noch vermarkten koennen. Ich fande das war ein super Deal und die Leute haben vertrauenswuerdig gewirkt. Um ehrlich zu sein, wollte ich die Dimger einfach nur noch loswerden. Das Vaerkaufen war soooo stressig fuer mich, dass diese Angebot mir wie ein Geschenk Gottes verkam. Das Problem war, dass ich unter Zeitdruck stand, da mir zur zwei Tage zur Verfuegung standen.

Am 12. wollte ich mich morgens auf den Weg in die USA begeben. Doch als ich am Abend des 11. die Bibo verlassen habe und ploetzlich inmitten eines Schneesturms stand, bekam ich die grosse Panik. Ich wollte nicht im Schnee stecken bleiben und dann den Immigration Officers der USA erklaeren, warum ich erst nach Ablauf meines Visas die Grenze ueberquert habe.

3.00 Uhr morgens am 12. Januar fahr ich an den Grenzposten der USA heran. Mein Pass wurde einbehalten und ich sollte mich im Hauptgebaeude melden, um den Einreiseprozess zu vervollstaendigen. Der dort ansaessige Beamte platzte sofort mit der ersten Ueberraschung heraus:"Du kommst ja wirklich auf die letzte Minute. Dein Visa ist vor drei Stunden ausgelaufen."
"Ups, ach wirklich? Und ich dachte, ich haette noch den kompletten 12."
Ich sollte ihm erklaeren, wie dies zustande kam.
Weiterhin sollte ich ihn davon ueberzeugen, dass ich kein illigaler Einwanderer bin und mal mein Rueckflugticket zeigen.
"Aehhhh, sie wissen, dass ich mit dem Auto reifahre. Logischerweise habe ich deswegen kein Rueckflugticket, weil ich im Fruehling wieder nach Kanada will."
Ich haette ihm gerne gesagt, was ich wirklich dachte:"Wer bitte will denn illigal in die USA immegrieren, wenn er in Europa leben kann? Das waere ja ein Abstieg und kein Aufstieg - macht also keinen Sinn." Das haette ihn vielleicht ueberzeugt aber auch wahrscheinlich seinen Patroitismus angegriffen und dann haette er mich eventuell aus Trotzverhalten nicht reingelassen. Also habe ich ihm meine Kontoauszuege gezeigt, um zu beweisen, dass ich nicht im Schwarzmarkt als Tellerwaescher anfangen will, weil ich das gar nicht noetig habe. Das wollte er aber erst nicht gelten lassen, liess sich aber mit einem "ach buette buette buette - Blick" weichklopfen. Dann wollte er noch wissen wo ich absteige. Da ich wusste, dass diese Frage kommen wuerde, schrieb ich mir die Adresse vom Hostel aus Seattle in mein Buch und trug sie ganz stolz in die Einreisepapiere ein. Allerdings haette ich nicht erwaehnen sollen, dass ich eine Freundin in Tacoma besuchen wolle. Er hat naemlich dann den Nachnamen und die Adresse von Kimber verlangt. Beides wusste ich aber nicht. Ich weiss nur, dass Kimber Kimber heisst und unter welcher Nummer ich sie erreichen kann.

Ich denke letztendlich hat er geschnickt, dass ich einfach nur ein Hippie bin, der nicht weiss wohin er will und was er vorhat und der einfach nur sein angespartes Geld in den USA verschleudern will, um die Wirtschaft anzukurbeln. Er war ja sehr nett und interessiert und hat nur seinen "daemlichen" Job erledigt.

Nachdem alles geregelt war, fahr ich nach Bellingham parkte auf einem oeffentlichen Parkplatz und haute mich erst mal aufs Ohr.

Bellingham ist eine suesse kleine Stadt und hat die hoechste Dichte an Hippies, die mir je begegnet ist. Die drei einzigen Supermaerkte, die ich gesehen habe, warem alle reine Bio-Maerkte, die von lokalen Landwirten beliefert wurden.
Dort ist eine beeindruckende Kunstszene anzutreffen und ueberhaupt eine erfrischende Atmosphaere von politischem und gesellschaftlichem Aktionismus. Beim Spazieren durch die Strassen habe ich einige interessante Kleinigkeiten entdeckt, die die 3 Tage dort deutlich aufgewertet haben. Unter anderem habe ich in einem unabhaengigen Kino den Film "127 Hours" (127 Stunden) gesehen, der von dem Typen handelt, welcher sich beim Klettern seinen rechten Arm in einer Schlucht eingeklemmt und letztendlich nach 5 Tagen abgeschnitten und somit die ganze Aktion ueberlebt hat. Ich habe das Buch gelesen und kann den Film nur empfehlen!!! Wirklich beeindruckend.

Leider habe ich die Couchsurfer nicht erreicht, bei denen ich schlafen wollte. Ab einem bestimmten Punkt haben die nicht mehr zurueck geschrieben, weswegen ich die Tage in meinm Van genaechtigt habe. Auch kam ich schwer mit Menschen in Kontakt. Das ist wirklich schwer, wenn man niemanden kennt. Couchsurfing ist da immer die perfekte Loesung fuer das Problem.
Aus diesem Grund sank meine Stimmung immer tiefer. Wie ein einsamer Kater streifte ich ziellos durch die Innenstadt und wusste nichts mit mir anzufangen. Einen Abend ging ich in eine Disko, um vielleicht dort Anschluss zu finden. Ich kam in ein Gespraech mit einer jungen Frau und einem anderen Typen aber irgendwie liefs nicht. Hinzu kam, dass es jeden Tag regnete.

Stimmungsmaessig angeschlagen fuhr ich schliesslich in Richtung Sueden nach Seattle. Die Couchsurfer, bei denen ich in Seattle schlafen wollte, die schon zugesagt haben, meldeten sich aber auch nicht mehr. Und noch mal fuer ein paar Tage in einer noch viel groesseren Stadt wirr umher zu laufen, haette mir den Todesstoss gegeben, also fuhr ich gleich weiter nach Tacoma, wo Kimber und ihr Freund wohnen.

Kimber habe ich 2008 auf Samothraki in Griechenland kennen gelernt. Nachdem ich ihr geschrieben habe, dass ic h auf dem nordamerikanischen Kontinent residiere, gab sie mir ihre Nummer und meinte, ich waere willkommen ein paar Tage bei ihr zu schlafen.
Das war schon mal eine gute Rettungsboje.
Ihr Freund hat mich empfangen und wir unterhielten uns angeregt ueber alles moegliche. Fuer meinen Geschmack ueber zu viel abgedrehtes Hippiezeug mit Energien und Astrologie und anderem Geschwurbel aber das bin ich ja schon aus den letzten Jahren gewohnt.
Kimbers Freund ist ein absoluter Pilz-Guru. Er weiss ziemlich viel ueber diese Gewaechse und am naechsten Tag sind wir alle zusammen auf einen Spaziergang in den Wald gegangen, um nach Pilzen zu suchen. Im Auto hat er erzaehlt, wie er neulich seine ersten Trueffel gefunden hat. Nach drei Minuten laufen, keine 200m vom Auto weg blieb er ploetzlich stehen und zeigte auf ein kleines Lochj neben dem Wanderweg:"Das sind typische Loecher von Eichhoernchen, in denen man Trueffel finden kann." Er fing an den Erdboden umzuwuehlen und holte wirklich einen Trueffel raus. Dann einen zweiten und einen dritten und so weiter, bis wir am Schluss bei 23 angelangt waren. Das es so schnell gehen kann, haette ich nie gedacht und war sichtlich beeindruckt. Nun weiss ich, wonach ich schauen muss.

Das war dann aber auch die einzige gute Zeit mit den beiden. Je laenger ich dort war, umso mehr habe ich festgestellt, wie abgedreht und schwarz der Junge eigentlich ist. Er hat eine solch starke negative Energie (ums in Hippie-Worte zu fassen) ausgestrahlt, in der ganzen Zeit wie ich dort war zwei mal gelacht und nie gelaechelt und sich ueber alles moegliche beschwert. Was er alles hasst, ist schon erstaunlich. Er hat permanent nur darueber geredet, was alles falsch und scheisse im Land ist. Sicher, Amerika kann schon ziemlich gruselig sein, aber wenn man sich nur auf das Negative und die Probleme stuerzt, dann geht man doch zu Grunde. Und er ist ganz unten am Grund. Lange Rede kurzer Sinn, ich habe angefangen Bauchschmerzen in seiner Gegenwart zu bekommen und musste so schnell wie moeglich aus diesem Haus raus.

Ich packte meine Sachen, verabschiedete mich und fuhr weiter Richtung Sueden, obwohl ich auch aus Olympia, wo ich als naechstes sein wollte, noch keine Couchsurfbestaetigung hatte. Lieber wollte ich allein sein und in meinem Van schlafen, als mit den schwaerzesten aller Seelen meine Zeit zu verbringen. In der Bibo (wo es in Nordamerika immer Internet gibt) in Olympia angekommen, hatte ich immer noch keine Nachricht und fuhr deprimiert einfach in die Berge der nahe gelegen Halbinsel, um wandern zu gehen und etwas Natur zu geniessen. Ich fuhr eine Forststrasse bis weit in die Berge hinein, bis zur Schneefalgrenze - und blieb stecken. Es ging nicht mal bergauf, nur gerade hin, aber dadurch, dass mein Van Hinterradantrieb hat, lief da einfach gar nichts. Nun ja, ist schon nicht so schlimm, dachte ich. Ich kratze ein wenig die Nassschneedecke vor und hinter den Reifen weg, doch nichts bewegte sich. Unter die Reifen gelegte Aeste half auch nichts. Nach anderthalb Stunden und mittlerweile fast gaenzlicher Dunkelheit, bekam ich es langsam mit der Furcht. Nicht, dass ich ums Ueberleben gekaempft haette, denn ich habe mein Bett im Van und auch immer genug Essen, aber troztdem musste ich ja irgendwann wieder dort runter. Und ich war hoch oeben im Berg einige Kilometer von der naechsten wirklichen Strasse weg.
Ich habe schon eine Rechnung von einigen tausenden Dollar vor meinem inneren aengstlichen Auge gesehen, als dann nach weiterem Rumprobieren endlich die boese Stelle ueberwunden war und ich muss 100m weiter bergab auf einen perfekten Platz stellte.

Am naechsten Tag vertrieb ich mir fuer drei Stunden die Zeit mir wandern, bis es anfing zu schneien und zu regnen und sass fuer den Rest des Tages im Beifahrersitz und lass mein Buch. Der naechste Tag lief genauso ab und der danach war der erste mal ein paar Sonnenstrahlen, die ich wie ein Suechtiger in mich aufsog. Doch das wars dann auch mit gutem Wetter und der Regen setzte sich fort. Zurueck in der Bibo in Olympia hatte ich immer noch keine Nachricht und wurde immer deprimierter und deprimierter. In solch einer verzweifelten Lage war ich seit Griechenland 08 nicht mehr, als ich aus Dummheit meinen Flug nach Schweden verpasst habe. Ich fuhr weiter an die Kueste zum angeblich laengsten SStrand der Welt, dem Long Beach. Ich parkte auf dem Sand und starrte stundenlang durch den Regen auf die sich endlos widerholenden Wellen, die auf den Strand schlugen. Als ich mich schlafen legte, bin ich am Tiefpunkt angelangt. Ich stellte mir, wie die Flut den groessten Teil des Strandes zurueck eroberte, das Wasser meinen Van erfasste und ich waehrend des Schlafes auf den Ozean hinaustreibe, immer weiter nach Westen, Richtung China und dann elendich in meinem Auto umherschwimmend verrecke. Es regnete die ganze Nacht und ich wachte bei Regen auf.

Irgendwas musste geschehen. Nach einem weiteren Gang in die Bibo hatte ich endlich eine Zusage in Portland mit Telefonnummer. Voller Hoffnung und Optimismus fuhr ich nach Portland und hatte nach einem Telefonat eine sichere Couch fuer den naechsten Tag. Das Leben kehrte zurueck hohle Huelle.

Portland ist eine hammer Stadt!!! Nicht zu gross (vielleicht etwas), nicht zu klein, ein gigantischer schneebedeckter Vulkan vor der Tuer, der einfach so aus dem Nichts auftaucht und Konkurrenzlos in einer relativ flachen Gegend prahlt und die Leute sind der Wahnsinn. Es wimmelt nur so von jungen und aktiven Menschen. Portland wird mittlerweile als das neue San Francisco der 68er gehandelt. Ich bin fuer meine Wuensche genau am richtigen Ort angekommen.
Den ersten Abend kaufte mir ein Sixpack Bier und fragte mich zur Disko meiner Wahl durch. Auf dem Weg dorthin sprach ich eine Gruppe Kerle an und wir endeten im Van des einen, tranken Bier und die anderen rauchten dazu noch einen Joint (was hier ueberigens die Normalitaet ist, ebenso wie in Kanada). Zusammen gingen wir tanzen und in eine Spielhalle, das man als Equivalent zum Stadtgarten am Montag in Erfurt bezeichnen koennte. Der Abend war grandios. Wir feierten bis in die fruehen Morgenstunden. Relativ betrunken trat ich aus dem Club heraus und stellte fest, dass ich total vergessen hatte, wo ich meinen Van parkte. Das warv der Anfang von einer Oddysee.
Es dauerte fast vier Stunden, bis ich ihn gefunden habe. Ich bin jede Strasse von Downtown ca. zwei bis drei mal von Anfang bis Ende abgelaufen und fand mein Auto schliesslich viel weiter entfernt, als ich es in Erinnerung hatte. Fuer die Haelfte der Zeit hatte ich Begleitung von einem schwarzen Obdachlosen (von denen es tausende in Amistaedten gibt), der mir seine Hilfe mehr oder weniger aufzwang und mit mir zusammen meinen Van suchte (natuerlich fuer Endgelt). Der Typ hat permanent den groessten Scheiss gelabert und zwar unaufhoerlich, wie ein Wasserfall. Wenn jemand mal Eddy Murphy gesehen hat - genauso hat der Typ geredet, mit dem gleichen typischen afroamerikanischen Slang. Das kann einem vielleicht auf die Nerven gehen!

Als ich am naechsten Tag aufgewacht bin, hatte ich zu allem Unheil auch noch einen Strafzettel, weil ich kein Parkschein geloest habe. 40 Dollar, verdammte Axt. Doch meine gute Stimmung war zurueck, weswegen es mich nicht wirklich gestoert hat.
Am Mittag traf ich mich mit der Couchsurferin. Kat, ein super cooles Maedel. Sie zeigte mir das Haus und den Rest des Tages genossen wir das zweite Mal Sonne seit meiner Einreise. Nach einem Gemeinschafts-Dinner sind wir zu einer Party gefahren, wo so erstklassige Leute waren, dass ich mir wuenschte dieser Abend wuerde nie enden. Und zu allem gluecklichen Ueberfluss endete der Tag mit einem Kuss von einer tollen Frau.

Nun ich bin seit fast einer Woche in Portland und ich liebe diese Stadt. Ich wohne seit gestern bei neuen Couchsurfern. Die Zeit mit Kat war wild und einfach nur toll. Wir haben heisse Quellen besucht, tranken jeden Tag zu viel Wein und hatten anderweitig Spass. Vielleicht ist noch erwaehnenswert, dass das Maedel, das ich auf der Party gekuesst habe, jetzt so etwas wie meine Freundin ist. Ich sage "so etwas wie", da uns beiden klar ist, dass ich auch mal wieder weg muss. Doch im Moment denke ich sogar darueber nach mir hier in Portland ein Zimmer in einer WG zu mieten und diese schoene Stadt und die vielen Leute, die ich mittlerweile kenne, so lange wie moeglich zu geniessen.

Acht Tage in einer mentalen und koerperlichen Hoelle und dann schlagartig, von einem Tag auf den anderen, wurde ich ins komplette Gegenteil katapultiert. Manchmal spielt das Leben schon komische Streiche mit einem. Aber auch mir ist natuerlich klar, dass immer mal eine Periode schwacher oder tiefer Unzufriedenheit kommt. Nicht alles ist immer prima, durch Scheisse schwimmt durch und mit genug Durchhaltevermoegen kommt man wieder am Strand auf der Sonnenseite des Lebens an.

6.1.11

Kanada - Vancouver Island

Viele haben mich gefragt, wie ich dieses Jahr Weihnachten verbracht habe. Um ehrlich zu sein war es fuer mich ein Tag wie jeder andere. Ich wurde von John zum Essen eingeladen. Das war unglaublich lecker aber wrklich weihnachtlich nicht. In Kanada ist der 24. auch nicht der grose Weihnachtstag. Der 25. hat hier viel groessere Bedeutung. Da werden auch erst die Geschenke aufgemacht.
Das Beste an der ganzen Weihnachtszeit war fuer mich eine relativ grosse Party am 23. Freunde haben in einer Bar ein zimelich cooles Dubstep/DrumnBase-Event veranstaltet. Das hat mich nach den langen, relativ oeden Wochen davor wieder so richtig aufgeruettelt. Das war mein Weihnachten, worauf ich mich konzentrieren wollte.

Die restliche Zeit habe ich meine Sachen zusammen gepackt und bin schliesslich zu einer Versicherungsagentur gegangen, um mir wieder eine 2-Tages-Erlaubnis zu besorgen, um mein Auto nach Vancouver fahren zu duerfen und dort zu verkaufen.
"Dafuer brauchen Sie eine Inspektion von einer in BC registrierten Werkstatt", war die Antwort. Shit, dachte ich mir. Beim letzten Mal gings ohne wieso auf einmal nicht? Wie ich schon beim letzten Mal erlaetuert habe, waere eine Inspektion auf keinen Fall in Frage gekommen, da ich niemals ein Zertifikat bekommen haette. Also entschloss ich mich einfach drauf zu scheissen und ohne Versicherung nachts bis nach Prince George zu fahren, wo ich dann bei Erich (aus Dawson und Vancouver Island) mit ins Auto springen koennte und mit nach Vancouver fahren kann.

Das problematischste waren die Wetterverhaeltnisse. Am 22. hat es hardcore angefangen zu schneien. Strassen waren fast nicht geraeumt, Sichtweite teilweise dramatisch und ich hatte fast glatte Sommerreifen auf dem Van. Aber das war fuer mich die einzig akzeptable Loesung, da ich so viel Kram angehaeuft habe, den ich unbedingt mitnehmen wollte.
Als ich dann zwei Tage nach Weihnachten Abends um neun losfuhr lief alles viel glatter als erwartet. Ich hatte mit den Reifen merkwuerdigerweise fast besseren Grip als mit Calvins Trucks, die alle Winterreifen haben. Also bin ich ganz entspannt die sechs Stunden bis nach Prince George gecruised. Die einzig brenzlige Situation zwischendrin war (wieder mal) ein Wolf. Der Truck vor mir bremste ploetzlich abbrupt und dann schoss hinter ihm ein schoener, praechtiger, grosser Wolf hervor. Dieser erschrak und blieb gluecklicherweise wie angewurzelt am Srassenrand stehen. Ich erschrak und latschte voll auf die Bremsen, wodurch das Auto auf dem eisigen Highway sofort ausgebrochen ist und umher schlingerte. Als ich aber die Rockys durchquert habe, war es auf einmal 25 Grad waermer und die Strassen gut.

In Prince George blieb ich zwei Tage bei Erich und seiner Familie. Der Vater hat mir das unglaubliche Angebot unterbreitet, dass ich meinen Van auf seinem Grundstueck bis April stehen lassen kann und in der Zeit versuche ihn uebers Internet wieder zu verkaufen. Das habe ich natuerlich angenommen. War schon traurig die ganze Geschichte. Da habe ich so viel Energie und Geld in den Waagen reingesteckt, ein Bett gebaut und schon alle moeglichen Utensilien fuer die Reise gekauft und am Ende war alles umsonst. Das war ein tueres Lehrgeld und so was wird mir hoffentlich nicht noch mal passieren.

In Vancouver sind Erich und ich fuer eine Nacht bei einem Freund von Erich untergekommen und am naechsten Tag habe ich mich zu einem Gebrauchtwagen-Haendler aufgemacht, um mir einen neuen Van zu kaufen. Es wurde schliesslich ein 1995 Mazda MPV fuer tausend Dollar. Die Typen, die den Laden schmeissen, sind zwar alle ein schmierig und komisch gewesen (so, wie ich mir Autohaendler immer vorgestellt habe) und ich bin mir auch noch nicht sicher, ob ich ein gutes Geschaeft gemacht habe oder nur wieder eine Schrottkiste gekauft habe, aber bisher laeuft erstmal einigermassen alles so weit. Natuerlich gibt es Maengel aber die sollten mich hoffentlich nicht aufhalten. Leider ist dieser Van ein ganzes Stueck kuerzer als der andere, wodurch der Bettbau ein wenig komplizierter war und ich insgesamt weniger Platz habe. Doch heute Mittag habe ich alles bauliche abgeschlossen und bin fertig fuer die Staaten.

Nachdem wir auf der Insel angekommen waren, ging alles ziemlich zack zack. Ich habe ein paar Freunden, die eine riesige Party in einem Club organisierten, gesagt, dass ich im Programm teilnehmen wolle. Das Motto war "Psychodelic Circus". Zehn Menschen als Tiere verkleidet, tanzten nacheinander zu einer vom Domtoer gesungenen Geschichte. Ich war der Loewe.
Da wir aber zwei Tage spaeter ankamen als erwartet (am 30.) gabs kaum Zeit zum Proben. Allerdings lief dann doch alles glatt. Die Show und die Musik waren der Hammer und wir hatten alle mega viel Spass. Die Veranstalter waren die gleiche Leute, die auch Carrington Bay auf Cortes Island geschmissen haben. Die ganze Party hat demzufolge auch einen aehnlichen Anstrich gehabt. Und ich habe so gut wie alle Leute vom Sommer wieder getroffen.

Vor zwei Tagen war ich mit Tyrell auf Mount Washington, der nur 40min entfernt ist, snowboarden. Tyrell wohnt fast an der Kueste mit seiner Schwester, den Eltern und noch ein paar jungen Maedels in Comox. Dort liegt fast nie Schnee und alles ist gruen. Wenn man dann aber eine halbe Stunde in die Berge faehrt, dringt man in eine voellig neue Welt ein. Ich habe noch nie in meinem Leben so viel Schnee gesehen! Auf Mount Washington, der nur ca 1500m hoch ist, liegen derzeit 490cm. Leute mussten Tunnel zu ihren Blockhaeusern schaufeln, um hein zu kommen. Und allein schon die Strasse bis zum Skigebiet ist wie ein Tunnel. Um genau zu sein hat der Berg den diesjaehrigen weltweiten Schneerekord. Allerdings war das letztes Jahr auch so und die Jahre zuvor wohl auch. Nur ist dieses Jahr besonders krass. Die eigentliche Schneesaison hat noch gar nicht richtig begonnen und es liegen jetzt schon fuenf Meter. Die Baeume auf dem Gipfel waren komplett eingeschneit. Man hat nicht das kleinste Gruen durchgesehen. Wie ein Wald aus Schneemaennern. Das war wirklich verrueckt.
Wir hatten strahlenden Sonnenschein und man faehrt in einen Panoramablick hinunter, der aus Ozean, einer gruenen Kueste, Inseln und den Rocky Mountains am Horizont besteht. Einfach nur unglaublich.

1.1.11

philosophischer Anhang zum vorher gehenden Eintrag

interessante Kommantare. Danke bisher.

Die Tastatur hier schreibt keine Kommas. Deswegen wirds ein Bisschen wild.

Versteht mich bitte nicht falsch aber ich sage ja nicht dass arbeiten was schlechtes ist. Ich habe vielleicht nicht genug betont, dass ich weiss dass sie noetig ist (logischerweise) und auch gesund. Nur kommt es eben auf die Intensitaet an. Mehr hab ich so weit ich weiss nicht gesagt. Wenn also jemand abweisend oder gar defensiv zu meinen Aeusserungen denkt oder sich ausspricht, heisst das dann nicht dass derjenige sich ertappt fuehlt? Denn wenn derjenige naemlich nur so viel arbeitet wie noetig und vollkommen zufrieden ist mit den Umstaenden die die Arbeit betreffen, dann sollte dieser Mensch doch mit meinem letzten Eintrag eigentlich uebereinstimmen, da ja meine Theorie in diesem Fall stimmt. Wer also voellig zufrieden ist mit seinen Arbeitszeiten, der duerfte sich doch gar nicht angesprochen fuehlen.
Was ich sage ist, dass theoretisch in den Industrielaendern NIEMAND das Recht hat sich zu beschweren, dass er/sie zu viel arbeiten muesse. Denn man muss nur viel arbeiten wenn man viel will. Und wer viel will und dadurch viel geld braucht, der darf sich nicht beschweren dass er deswegen viel arbeiten muss. Denn das viel wollen kann man abschalten oder sich eben gar nicht erst von kapitalistischen Schrumms indoktrinieren lassen, der sagt dass unkontrollierter Konsum etwas ganz Tolles ist.

Also: Arbeit ist gut und toll (solange man sich nicht durch sie in Unzufriedenheit bringt).

Was ich z.B. nicht verstehe ist:
Ich habe in Arbeitsverhaeltnissen in Deutschland Menschen kennen gelernt, die schon mal arbeitslos waren. Das war fuer die Menschen was Schlimmes und sie wollten unbedingt wieder Arbeit haben. Nicht dass sie verhungert waeren, da es ja in Deutschland Sozialversicherung gibt. Aber ich nehme an sie wollten einfach beschaeftigt sein. Als sie dann aber Arbeit hatten (ich habe mit Ihnen zusammen gearbeitet), hatte ich nicht das Gefuhel dass dieser Umstand irgendwas an ihrer Verfassung geaendert hat. Endlich hatten sie ihre Arbeit und waren immer noch unzufrieden und haben sogar ueber ihre Arbeit geklagt. Was wollen die Leute nun eigentlich? Wenn ich irgendein Ziel habe und etwas will, dann beklage ich mich doch nicht wenn ich es erreicht habe. Das macht ueberhaupt keinen Sinn!!!

Und jetzt braucht mir niemand erzaehlen dass das Einzelfaelle sind. Ich kenne so gut wie keinen der sagt: Oh ja ich liebe meine Arbeit und ich finde es voellig in Ordnung jeden Tag 9-12 Stunden zu arbeiten.
Vielleicht kenne ich solche Leute, nur habe ich mich mit denen noch nie darueber ausgesprochen.

Wenn ich Verantwortung fuer einen Menschen uebernehmen muss (ich nehme mal an Kinder sind gemeint), dann muss man wahrscheinlich mehr arbeiten (oder eigene Beduerfnisse zurueckstellen). Das weiss ich und dagegen sage ich ja auch gar nichts. Nur denke ich auch wieder, dass das nur bedingt zutrifft. Ich bin ueberzeugt selbst mit Kind muss man nicht mit 45 Stundenwoche durchs Leben schreiten. Eben aus den schon vorher genannten Gruenden. Wenn man das nun aber will und damit zufrieden ist dann ist doch alles gut. Nur glaube ich eben dass das die meisten nicht wollen. Das zumindest ist meine Erfahrung. Und ganz extrem ist es halt in Fort St. John mit den Leuten die ich kenen gelernt habe.

Mutti um auf deine anstichelnden Fragen zu antworten: JA von jedem ein Bisschen. Sicherlich will ich meinen Lebensstil (wieder mal) rechtfertigen. Weil naemlich immer wieder gewissermassen Angriffe und Vorwuerfe gegen mich aufgebracht werden. Faulentzer oder Schmarotzer oder Unproduktiver.
Nur, wenn ich niemandem mit meinem Stil auf der Tasche liege und ich mir mein Faullenzen mit Einsparungen bei meinen Beduerfnissen verdiene (weswegen ich nicht so viel arbeiten muss und mehr Faullenzen kann) und damit auch noch gluecklich bin, was sollen dann die Vorwuerfe. Kann man einem Menschen nicht nur dann Vorwuerfe machen wenn Leben anderer beeintraechtigt werden oder Unzufriedenheit vorherrscht?

Ausserdem will ich natuerlich auch provozieren. Weil es Spass macht und ich zum Nachdenken anregen will und damit eine Disskussiion hervorrufen will. Vielleicht bin ich ja ein eingebildeter kleiner Bengel (der den viel erfahreneren Aelteren was ueber Lebensweisheiten erzaehlen will, obwohl er im Prinzip gerade erst aus dem Ei geschluepft ist und vom Leben noch keine Ahnung hat). Vielleicht ist das ja so. Dann liegen aber auch die Buddhisten falsch und Erich Fromm und viele viele andere. Wer weiss. Vielleicht will ich auch einfach ein Rezept fuer meine eigene Zufriedenheit praesentieren und damit der Menschheit was Gutes tun.

Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen in dem normal gearbeitet wurde. Meine Eltern haben gearbeitet (auch immer noch) und mir damit den typischen Lebensweg vorgefeuhrt. Auch in der Schule wurde ich dazu erzogen ein produktives arbeitendes Mitglied der Gesellschaft zu werden. Und trotzdem verbascheue ich (zu) viel Arbeit. Ist das dann nicht eine Art angeborene Abscheu? Ich habe mir diese Abscheu nicht erst in den letzten Jahren angeeigent durch z.B. "komische" Leute mit denen ich in Kontakt war. Ich hatte diese Abscheu wahrscheinlich schon immer. Ich hatte auch schon immer (ab dem ersten Tag an) Abscheu vor zu fruehem Aufstehen in der Schule und zu vielen Stunden am Tag. Wenn ich eine natuerliche Abscheu gegen etwas habe, ist es dann nicht gesund dagegen zu arbeiten? Wenn ich von Grund auf fuehle dass etwas falsch ist, dann versuche ich doch mich davon zu distanzieren. Und ich fuehle und weiss eben dass FUER MICH ein Leben mit 45 Stundenwoche falsch ist. Ich fuehle aber auch dass das auf viele wenn nicht die meisten zutrifft. Nur weiss ich es in dem Fall bei den meisten nicht, weswegen alles nur eine Theorie bleibt die versucht die vielen griesgraemigen Gesichter in der Strassenbahn zu erklaeren.

Ich bin ein junger Mensch und junge Menschen geben sich oft nicht einfach gegebenen Dingen hin. War schon immer so. Zu Sokrates Zeiten z.B. und die Hippies haben auch genau das getan. Ohne die Hippies haette es vielleicht nie solch riesige Schritte in Richtung Fremdenfreundlichkeit oder Emanzipation der Frau gegeben.
Wenn man heute die Menschen der ersten Hardcore-Industriealisierungsjahre sich anschaut, dann sagen ja auch fast einheitlich alle:"Ohhh die Armen. Die mussten so viel arbeiten." Sicher koennte man da jetzt sagen: na dann ist doch alles in Ordnung, da haben wir doch schon viel erreicht. Das haben wir ja auch. Nur glaube ich nicht dass das schon alles war. Fast jede Gesellschaft ist immer verbesserunsgwuerdig. Vielleicht wird mal in vielen Jahren eine 10 oder 20 Stundenwoche normal und dann reden alle so wie ich jetzt. Vielleicht aber auch nicht.

Jedenfalls habe ich mal in einem Buch gelesen wie ein Anthropologist nach Papua Neuguinea gereist ist, um dort einen Eingeborenenstamm zu studieren. Und dieser Forscher war hocherstaunt als er feststellte, dass die Menschen gerade mal zwei Stunden pro Tag mit Nahrungsbeschaffung verbracht haben, was anscheinend den groessten Teil der taeglichen Arbeit ausmachte.

Ist das nicht komisch dass man bei aller Entwicklung ("nach vorne") seit den Urzeiten viel mehr arbeiten musse? Man hat so viele Geraete entwickelt die uns Zeit geben sollen und Arbeiten abnehmen sollen. Aber irgendwie scheint der Plan nicht aufgegangen zu sein.

Abschliessend moechte ich noch mal betonen, dass ich hauptsaechlich meine Impressionen der Leute aus Fort St. John widergeben wollte und aber auch gleichzeit etwaige Parallellen nach Deustchland gezogen habe. Es soll sich niemand angegriffen fuehlen. Alles ist gut! Heben wir unser Glas. :)

Happy New Year an euch alle!

Ich bin gerade von einer geilen Party zurueck gekommen und muss jetzt ins Bett.