9.9.10

Kanada - Vancouver Island und back in FSJ

Ich war also auf dieser Party. Und dann stand Tyrell und Eric vor mir, die ich aus Dawson kenne. Man was haben wir uns gefreutuns zu sehen. Die beiden Typen sind einfach spitze. Voellig spassig, durchgeknallt und zwei wirklcih sehr unterschiedliche und interessante Charaktere. Zusammen haben wir die Party gerockt. Da ich nicht wusste, dass das Thema des Festivals Piratenparty war, fuehlte ich mich gedraengt am Sonntag ein eigenes Kostuem zu basteln. Ich waehlte das Thema "Buschmann". Alles was mir im Wald in die Haende viel wurde eingesammelt:Farn, Moos, Blaetter, Aeste, Zapfen usw. Das habe ich mir dann alles in meinen Koerper eingeflochten, ihn bemalt, mir einen Lendenschurz umgehangen und dann bin ich runter zur Tanzflaeche gegangen. Die Leute sind ausgerastet alssie mich gesehen haben! Alle haben mich umarmt und mir gedankt, dass ich diesen Abend so wundervoll bereichert habe.
Dann kam Tyrell zu mir und sagte dass Megan hier sei.

In Dawson habe ich mich in eine Frau verliebt - Megan ihr Name. Ausser wachsenden Gefuehlen fuer sie gab es nur eine sehr innige Umarmung und einen Kuss auf den Hals, bevor sie Richtung Vancouver Island aufbrach und ich zum zweiten Flosstrip. Auf diesem bekam ich sie nicht aus meinem Kopf raus. Ich unterhielt mich mit Bubbi und Sam ueber sie. Wir alle waren uns bewusst, dass sie eine gefaehrliche Frau ist. Eine, an der man sich ueblicherweise die Finger verbrennt. Das ist mein Problem - ich stehe anscheinend auf Frauen an denen man sich die Finger verbrennt. Das sind fuer mich Frauen, um mal direkter zu werden, die stuermisch und unberechenbar wie der Wind sind. Sie fliegen wild durch die Gegend, in alle Richtungen und reissen Schaaren von Maennern nieder, die ihnen erliegen. Das sind Frauen, die verrueckt sind und frei und wild und unzaehmbar. Ich weiss dass ich so bin und dass ich deswegen so davon angezogen werde. Ich habe das Gefuehl, dass eine Frau von diesem Typ mit mir Schritt halten kann auf der wilden Fahrt des Lebens. Und meine Fahrt ist wirklich ausgesprochen wild und verrueckt! Da kann ich nichts mit einem aengstlichen, ruhigen Haeschen anfangen. Da kommt zu schnell Langeweile auf. Megan ist genau von diesem Kaliber. Einfach nur ein einziges Buendel aus Energie. Ich sagte zu Bubbi in Dawson so etwas wie:"ich werde mich in dieses Maedel verlieben und ich weiss jetzt schon, dass ich es hassen werde." Bubbi riet mir von Anfang an die Finger von ihr zu lassen. Ich wusste, dass das ein guter Vorschlag war. Ein guter Vorschlag fuer den Kopf. Genauer gesagt fuer den Neocortex. Doch das Herz und die mehr archaischen Regionen des Hirns, die uns mit Gefuehlen ausstatten - die sind ziemlich unbeeindruckt von solchen Vorschlaegen. Und so kam es, wie es kommen musste.

Ich schrieb ihr einige eMails und als ich nicht eine Antwort bekam, war ich etwas enttaeuscht aber auch gleichzeitig erloest, da ich mir dachte, dass sich so die ganze Sache schleichend im Wind verlieren wird und es so wahrscheinlich besser ist.

Doch dann auf dem Festival auf Cortes Island. Irgendwie habe ich gehofft und eine gewisse Wahrscheinlichkeit zugesprochen, dass sie dort auftauchen wuerde. Menschen vom gleichen Schlag finden sich immer an den gleichen Orten wieder. Wer auf der selben Welle reitet, landet am selben Strand. Und fuer uns war das eben Dawson und die Carrington Bay auf Cortes.

Als sie mich als Buschmann sah hat sie ertsmal einen Lachanfall bekommen. Wir fielen uns in die Arme und stuermten zur Buehne.
Sie mir, dass sie nie irgendeine eMail von mir bekommen hat und wir fanden heraus, dass ich einen Buchstaben in ihrer Mailadresse vergessen habe, wodurch die vorher verschickten Nachrichten nun in den Weiten des Internets umherirren.

Ich wollte ihr ihren Freiraum lassen. Ich wusste, dass wenn ich zu sehr an ihr haenge, ich sie verschrecken wuerde. Also bin ich wieder meiner Wege gegangen, durch die tanzende Masse gestroemt und voll in meine Rolle aus Waldgnom reingefallen. Als ich dann wieder mal mit Megan zusammengestossen bin, tanzen wir eine Weile miteinander. Doch dieses Mal war alles mit Erotik gefuellt. Ich kam etwas naeher, sie grinste mich nur an und dann kuessten wir uns. Ich habe etwas anderes erwartet. Ich habe einen typischen Partykuss erwartet - schnell, stuermisch und erfuellt von der Energie des Tanzrausches. Doch es war ganz anders. Wir kuessten uns so zaertlich und langsam, dass es wie eine Erloesung aus wochenlangem gegenseitigem Verlangen war. Als ob wir die verliebtesten Menschen ueberhaupt waren. Die Geschwindigkeit der Welt verlangsamte sich sofort. Ich nehm nichts mehr wahr, keine Musik, keine Bilder, nur dieser wundervolle Kuss.
Leider war ich mir bewusst, dass sie high war und dass ein Kuss in dieser Situation nicht allzu viel zu bedeuten hat. Ich gestand ihr meine Liebe, versuchte so ernst wie moeglich dabei zu wirken und dann gingen wir beide unserer Wege - ins Bett. Dort fand ich aber keine Ruhe und fing an zu schreiben, wobei ein ziemlich langer Brief rauskam, den ich ihr am naechsten Tag bei der Abschiedsumarmung in den Rucksack steckte.

Am naechsten Tag bin ich zusammen mit Tyrell und Eric mit dem Wassertaxi wieder zurueck nach Vancouver Island gefahren und weiter nach Comox, wo Tyrell mit seinen Eltern in laendlicher Gegend wohnt.
Ich hatte immer noch keine Mail vom Manager von Kaltire erhalten,wo mein Van parkte, der mir schreiben wollte, wenn der Fahrzeugbrief angekommen ist. Drum hatte ich noch etwas Zeit um mir die Gegend anzuschauen.

Ich blieb vorerst die naechsten drei Tage bei Tyrell und suchte mir im Internet ein schoenes Viertagesziel aus. Hornbee Isdland sollte es werden, eine kleine Insel suedlich von Comox, schnell zu erreichen und anscheinend wunderschoen.
"In zwei Stunden kann ich dich zum Highway fahren. von wo aus du gut nach Sueden trampen kannst.", sagte Tyrell am darauffolgenden Tag zu mir. Ich packte meine Sache und machte noch eine letzte kleine Runde uebers Grundstueck, um mich noch mal so richtig mit den riesigen Brombeeren vollzustopfen, die ueberall wuchern. Da fiel mein Blick zum wiederholten Male auf den Berg, 30km von Comox weg in Richtung Inselmitte. Zum Greifen nahe lag er da mit seiner Gletschermuetze auf dem Kopf und hielt mich fuer einige Momente in seinem Bann.
"Der Berg ruft", ich konhnte es foermlich aus allen Wiukeln hoeren, wie ein auffordernder Ausruf.
"Vielleicht sollte ich ... in einer Stunde faehrt Tyrell los ... ich werde einfach mal ... ". Ich flitzte zum PC und versuchte so schnell wie moeglich alle Infos ueber den Comox Gletscher rauszusaugen: wie hoch ist der Berg, gibt es Wanderwege, wie schwierig ist das Gebiet, Wetter, usw.

Tyrell lud mich nahe des Staudamms vom Comox See ab. Noch nie hatte ich einen so leichten Wanderrucksack. Eine lange Hose, einen Pullover, noch einen den mir Eric gegeben hat, Schlafsack, Zelt, Isomatte, Topf und Essen und an meinen Fuessen klabten die mir heilig gewordenen Teva-Sandalen. Alles in allem nicht gerade die ideale Ausruestung fuer eine Gletschertour, doch das war eben alles was ich von Richmond mitgenommen habe. Geplant war ja nur die Party auf Cortes.

Ueber Forstwege ging es den See entlang, in ein anderes Tal, dann in ein wieder anderes und in noch eines. Der Berg war in der Praxis weiter weg, als es von Comox her aussah. 20km bin ich wie ein von der Pest verfolgter Irrer gelaufen und habe den Beginn des Wanderweges trotzdem noch nicht erreicht. Ich wollte in einer der Ausbuchtungen der Strasse schlafen mit einem Bach in der Naehe.
"Dort vorne ist ein guter Platz.", sagte ich an einer Stelle. Doch ein paar Meter weiter hoerte ich ein Knaksen rechts von mir und hinter einem Busch tauchte ploetzlich hoch aufgereckt auf einem Baumstumpf ein monstroes grosser Schwarzbaer auf, nur 20m neben dem Weg. Mir blieb kurz der Atem stehen. Wir schauten uns zwei Sekunden lang an, dann preschte er los, weg von mir in den Wald hinein.
"Wieso habe ich Idiot eigentlich mein Baerspray nicht mitgenommen?!", verfluchte ich mich selbst. Irgendwie habe ich beim Aufbruch in Richmond nicht den geringsten Gedanken an grosse wilde Tiere verschwendet. Ich fahre ja auf eine Insel, dachte ich mir. Na und??? Die Viecher hatten hundertausende Jahre Zeit um das Areal zu besiedeln. Am einfachsten wahrscheinlich zur letzten Eiszeit vor 10.000 Jahren, als der Meeresspiegel deutlich niedriger war und vielleicht eine Eisbruecke zum Festland den Ueberlauf ermoeglichte. Wie auch immer - nicht dass es also nur einfach schon Baere gab, die auf der Insel sind durch andere Umweltbedingungen und geografische Trennung zur Festlandpopulation auch noch deutlich groesser als anderswo.

Zusaetlich zur Direktbegnung gab es noch unzaehlige indirekte Indizien fuer die verstaerkte Anwesenheit fuer Baeren: gigantische Kackhaufen auf dem Weg - und zwar alle hundert Meter.
Als ich endlich eine schoene Ausbuchtung gefunden habe, startete ich das Feuer, kochte, hing sofort danach mein Essen weit weg vom Zelt an einer kleinen Bruecke auf und fing an mir eine Speer zu schnitzen und die Spitze in der Glut zu haerten. Mit dem Speer neben meinem Kopfkissen schlief ich schliesslich ein.

Nach dem ersten auspowerndem Anstieg gelangte ich auf den Bergkamm. Der Wald war atemberaubend. Da die Gegend Naturschutzgebiet ist, darf dort nichts gefaellt werden, weswegen die Baeume dementsprechend gross und maechtig sind und eine gesunde Artenvielfalt vorherrscht - einfach antik. Auf dem Kamm standen nur noch Grueppchen von Tannen eingebettet in kuschlig gemuetliche Almwiesen und knoechelhohen Bueschen mit millionen von rosa Blueten dran. In jeder kleinen Kuhle lag ein Miniteich, Ueberbleibsel von geschmolzenen Schneefeldern. Und das Sahnehaeubchen des Ganzen war die Aussicht. Links der Gletscher, Comox, das Meer und Festland BC. Rechts ein Blick in ein riesiges Tal. Und wieder konnte ich einen Eintrag in meiner persoenlichen Liste der schoensten Plaetze der Welt machen.
Vier Stunden spaeter erreichte ich den Gletscher, der als grosses weisses Plateau auch gleichzeitig mehr oder weniger den Gipfel des Berges darstellt. Ich willte mein Zelt genau auf der eisigen Spitze aufstellen, um den ultimativen Rundblick zu haben. Es waren nur noch ca. 400m leicht ansteigend durch den Schnee zu laufen, bis zu dem Ort der mein Lager sein sollte. Auf dieser Strecke musste ich aber drastisch meine Lauftechnik aendern. Dadurch, dass ich Sandalen anhatte, blieb staendig Schnee zwischen Schuh- und Fusssohle stecken, woraufhin meine Zehen und Fusssohlen anfingen einzufrieren. Wie ein Storch mit Sandalen durch den von der Sonne aufgeweichten Schnee zu staksen, ohne diesen mit den Fuessen in Beruehrung kommen zu lassen, ist eine gar nicht so leichte Aufgabe. Nachdem das Zekt stand nahm ich erst mal ein kraeftiges ganz-Koerper-Sonnenbad und liess meinen Geiste im darauffolgenden Sonnenuntergang verlieren.

Die Nacht war eisig und verdammt windig. Ich weiss nicht wie kalt es war, jedenfalls war mein Wasser gefroren. Ich wachte auf, als der Himmel sich gerade von einem lilanem Blau zu einem warem Orangerot verfaerbte. Ich kroch aus meinem Zelt und ein unglaeubiges langgezogenes "Wooooooow" verliess meinen Mund - genau das gleiche "Wow" als ich in meinen Kinderjahren Fotos in meinen Kletterbuechern von Bergsteigern sah, die in eisiger Hochgebirgslandschaft neben ihren Zelten in bombastische Bergmassive, Wolkenformationen und Lichtverhaeltinisse hinausstarren. Und jetzt war ich genau dort, live mit dabei.
Um mich rum eine einzige Eis- und Schneelandschaft. In meinem Ruecken ragte Berge mit Gletschern heraus. Unter mir eine geschlossene Wolkendecke, die nach Sueden hin auflockerte und zu fluffigen kleinen Woelkchen zerstieb und Richtung Osten bei Comox abruppt abbbrach. Dahinter lag die Kueste von Vancouver Island, dann das Meer und am Horizont die Rocky Mountains von British Columbia, ueber denen die Sonne aufging.
Wie ein feuriger Laser sandte sie ihre ersten Strahlen hinaus, die im Eis reflektiert wurden und allem eine rote Aura verliehen.
Ich bekam bei dem Anblick Gaensehaut und mir wurde innerlich warm, obwohl es objektiv ziemli9ch kalt war.
Das sind die Momente fuer die ich lebe. Wenn jemand nicht versteht, warum ich Berge besteige, dann war diese Person wahrscheinlich noch nie Teil eines solchen Moments.

Solange der Schnee noch gefroren war, erkundete ich die Gletscherspalten, unterhielt mich mit einem Paearchen, das auch auf dem Berg genaechtigt hat und kroch dann hochzufrieden wieder in meinen Schlafsack um noch ein paar Stunden im Sonnen erwaermten Zelt zu doesen.
Beim Abstieg schlug ich noch mal Camp auf dem Kamm auf, an einem der Teiche. Dort gab es einen kleinen Felsen vor einer Klippe, die wie eine Aussichtsplattform einen offenen Blick in das grosse Tal bot. Genau dort setzte ich mich hin, um dem Leben und der Natur zu huldigen und blieb geschlagene drei Stunden sitzen, nichts weiter tuend als die Welt in mich aufzusaugen. Und letztendlich endete diese Sitzung in einer kleinen spirituelle Erleuchtung. Ich war so durchdrungen von Glueck und Zufriedenheit mit meinem Leben und Allem, dass ich schliesslich anfing zu weinen. Ich moechte meinen Eltern und allen anderen Menschen und Dingen, die mich zu dem gemacht haben was ich bin, danken, dass alles so ist wie es ist. Denn wie es gerade ist, ist es wunderbar.

Die Erlebnisse sprudelten nur so aus mir heraus, als ich wieder bei Tyrell in Comox war. Diese Viertagestour zum Gletscher hat mich tief beruehrt, in jeglicher Hinsicht. So stellte ich mir vor, muss es sein, wenn jugendliche Indianer oder Buschjungen in die wilde Natur geschickt werden, um die spirituelle Reifepruefung zu absolvieren, indem sie auf unterschiedlichste Art und Weise psychodelische Erfahrungen provozieren um dann als erwachsene Maenner zum Stamm zurueck zu kehren.

Da war sie, die ersehnte eMail. Absender: Megan Francis. Mit zittrigen Fingern klickte ich die Maus und oeffnete die Mail. Folgendes stand drin: Sie hat sich auf eine Bank gesetzt und meinen Brief hunderte Male durchgelesen. Und sie bereut es so sehr, dass wir uns nicht noch mal gesehen haben, nachdem ich ihr den Brief gegeben habe. Sie haete mir so gerne alles moegliche gesagt. Sie hatte nicht gedacht, dass ich alles ernst gemeint habe, was ich ihr auf Carrington sagte. Sie dachte ich waere vollgedroehnt mit Drogen (was ich nicht war) und hat mich deshalb nicht ernst genommen. Und wenn ich mal irgendwo im suedlichen Teil der Insel waere, ich ihr ein Zeichen geben soll. Dann koennten wir zusammen ein paar tolle Baeume beklettern und ueber alles reden.


Und die eMail war die Antwort darauf. Sofort hatte ich nur einen Wunsch: ich will sie wieder sehen! Der Fahrzeugbrief war sowieso noch nicht da, weswegen ich den Van noch nicht anmelden konnte und so hatte ich also noch ein wenig Zeit, die ich nutze wollte, um Megan zu finden. Am naechsten Tag war ich in Victoria. Das Trampen dorthin lief wie am Schnuerchen. Ich hatte sehr interessante Begegnungen und alle sagten:"ohhhh, wie romantisch!", als ich erzaehlte, dass ich eine Frau suche, in die ich mich verliebt habe.
Ich kam erst mal bei Freunden von Tyrell unter. Am naechsten Tag erhielt ich wieder eine Mail von Megan, in der sie mir ihre Telefonnnummer hinterliess. Nach einigen Umwegen hatte ich sie endlich an der Leine. Wir verabredeten uns fuer den naechsten Tag. Sie wollte mich abholen um mir dann ein paar schoene Ecken der Stadt zu zeigen. Stattdessen hingen wir auf der Treppe zur Eingangstuer fest und ueberhaeuften uns gegenseitig mit Geschichten. Die Stadtrundfuehrung kam dann doch noch zustande und am Ende liessen wir den Tag spaet in der Nacht bei einer Flasche Wein am Strand ausklingen. Die ganze Zeit kam das eigentliche Thema nicht zur Sprache. Wir hatte wunderbare Gespraeche, doch der Hauptgrund fuer unser Treffen wurde noch nicht bedient. Und bevor es zu spaet war legte ich einfach alle Karten auf den Tisch und beichtete alles was zu beichten war. Es folgten einige gute und einige schlechte Reaktionen, noch ein mind-blowing Kuss und das wars.

Am naechsten Tag trafen wir uns noch in letztes Mal fuer 10 Minuten. Ich ueberreichte ihr zwei Fotos von mir, auf deren Rueckseite stand, dass sie mich nicht vergessen solle. Wir kuessten uns ein letztes Mal und dann machte ich mich auf den Weg zur Faehre. Mein Innerstes war wie durch den Fleischwolf gedreht - a big mess, einfach nur ein ruempliges Durcheinander. Sie wirkte verliebt, sagte mir jedoch, dass sie mich als Freund sieht (Gott verdammt - wie ich diesen scheiss Satz hasse!!!) und ihr Leben gerade schon kompliziert genug sei und sie deshalb keine Beziehung oder dergleichen wolle. Im gleichen Zug sagte sie mir aber auch, dass sie darueber nachgedacht hat, wie es waere einen deutschen Freund zu haben.
Es waren im Endeffekt also wunderbare Tage in Victoria, die aber nicht das gebracht haben, was ich erhofft hatte.

Doch die Stadt ist schoen. Jetzt muss ich noch mal was zur Stadt sagen. Fast komplett Victoria wirkt, als ob man in einem Dorf ist. Es gibt kaum hohe Haeuser und sehr viel Gruen. Es hat wirklich den Anschein, als on man durch Kleinhausen schlendert, abgesehen von Downtown. Alles ist so sauber und gepflegt, was der Grund ist, warum so viele Kanadier Victoria als ihre Altersresidenz waehlen. Ich bin mir sicher zum Anschauen haetten meine Eltern und Gleichaltrige ihren Spass. Ich empfehle waermstens 2-3 Tage Aufenthalt in Victoria und zwei weitere Wochen irgendwo anders auf Vancouver Island. Das lohnt sich auf jeden Fall!

Die naechste Herausforderung die anstand hat mich wenigstens etwas von Megan abgelenkt. Der Fahrzeugbrief ist angekommen, was der Grund war, warum ich mich auf den Rueckweg nach Richmond begeben habe.
Als ich in der Autowerkstatt, wo ich meinen Van fuer zwei Wochen parkte, ankam, uebergab mir Chris der Manager den Brief. Er sagte allerdings zusaetzlich:"Ich habe gesehen, dass der Van vorher im Yukon angemeldet war. Um ihn hier in BC anzumelden, brauchst du eine Inspektion von einer BC-Werstatt, die zertifizieren kann, dass das Auto Strassentauglich ist. Das kostet 100 Dollar und obendrauf Reperaturkosten, die anfallen um ihn durch die Inspektion zu kriegen." "Reicht nicht die Inspektion, die erst im Juni in Whitehorse gemacht wurde?", fragte ich. Doch Chris sagte:"Nein, das ist eine out-of-province-inspection, die hier keine Gueltigkeit hat. Wenn du den Wagen in BC anmelden willst, dann wollen die Broker bei der Anmeldung ein Zertifikat von BC sehen." Der Inspection-Typ war aber an dem Tag nicht da, woraufhin Chris den Laden in Suedvancouver anrief, um ein paar Leute rueber zu schicken, den Van mit einem Reperaturnummernschild nach Vancouver zu fahren und die Inspektion in dem anderen Laden durchzufuehren.

Der Manager dort sagte mir, dass die Inspektion ca. anderthalb Stunden dauern wuerde. Doch was er mir von vornherein sagen kann, ist, dass ich auf jeden Fall neue Reifen und eine neue Windschutzscheibe brauche, weil die alte mit Rissen durchzogen ist. Das allein wuerde schon mal um die 900 Dollar kosten. Was ich dachte, fragt ihr euch? Ja - ich dachte: FUCK!!!
Also begab ich mich auf den Weg waehrend die Werkstatt die Inspektion durchfuehrte, um wenigstens billige Gebrauchtreifen irgendwo aufzutreiben, damit die Kosten nicht exorbitant werden. Nachdem ich kein Glueck in diversen Autohaeusern und Werkstaetten hatte, kam ich zu einem Tuning-Shop, mit dem Inder Paul als Geschaeftsfuehrer. Er meinte, dass ich zu ihm kommen soll fuer Reperaturen. Er wuerde mir egal was Kaltire mir fuer Kosten-Reperatur-Angebote macht diese unterbieten. Eine Stunde spaeter war ich zurueck bei Kaltire. Der Manager kam zu mir und sagte, dass er mir nicht sinnloserweise Geld abknoepfen wolle. Dass sie die Inspektion noch nicht durchgefuehrt haben, weil sie erst auf mich warten wollten, ob ich sie wirklich durchfuehren lassen wolle. Der Inspektions-Typ ist nur mal schnell ums Auto gelaufen und hat mir schon so viele Dimge aufgezaehlt, die gemacht werden haetten muessen, dass ich mir die ganze Sache noch mal ueberlegen solle. Neben den Reifen und der Windschutzscheibe waeren da noch die stellenweise rostige Karosserie gewesen, die Lichter, Scheibenwischer, Scheibenheber und andere Kleinigkeiten. Und da hat Er noch nicht mal unter den Wagen geschaut. Er meinte zu mir, dass alleine diese Sachen mich mindestens 4000 $ kosten wuerde und ich mir fuer dieses Geld fuenf Autos in dem Stil gebraucht in Vancouver kaufen koenne. Und wisst ihr, was ich jetzt dachte? Genau: abgefuckte Scheisse noch mal!!!! Also bin ich wieder zu Paul gegangen und hab ihm die ganze Sache erzaehlt. Er sagte, dass wir erst mal das Auto zu seinem Shop holen und er es mit Sicherheit billiger hinkriegt. Also haben wir das Auto geholt und seinen Inspektionstyp drueber schauen lassen. Der meinte, dass er es etwas billiger hinkriegen koennte aber die Jungs von Kaltire die Situation schon ganz realistisch eingeschaetzt haben. Somit war meine letzte Hoffnung zerstoert. Die 800 Euro, die ich fuer das Auto schon ueberwiesen habe, waren pfutsch. Dessen war ich mir sicher. Paul meinte, da gibt es nichts, was ich machen koenne. Ich koennte den Wagen im Yukon anmelden, weil die Inspektion vom Juni dort Gueltigkeit hat. Da das Auto nun aber in Vancouver ist, geht das nicht. Ich muesste es nach Whitehorse bringen, um es dort anzumelden. Oder einen Stellplatz in Vancouver finden, nach Whitehorse fahren mit allen Papieren, das Auto anmelden, zurueck nach Vancouver fahren, die Yukonnummernschilder anschrauben und dann koennte es abgehen wohin auch immer. Das war aber keine Option. Ich haette erstens nicht die Kraft gehabt und wollte auch nicht so viel Geld ausgeben fuer Busse und der gleichen, von dem ich mir ebenfalls gleich ein anderes Auto haette kaufen koennen. Ausserdem sollte ich in zwei Tagen wieder in Innisfail oder Fort Sankt John sein, um zu arbeiten.
Also fing ich an meine Sachen zusammen zu packen und das Radio rauszuschrauben, um wenigstens etwas fuer mein Geld zu bekommen. Den Van haette ich einfach in einer Seitenstrasse stehen lassen. Das waere dann nicht mehr mein Problem gewesen. Da ich legal nie der Eigentuemer gewesen bin, da das Auto nie auf meinen Namen registriert war, haetten mich Abschleppkosten und solche Spaesse ganz einafch nicht interessiert.
Dann kam Paul zu mir und sagte, dass ihm noch eine letzte unwahrscheinliche Moeglichkeit eingefallen ist. "In Ausnahnmefaellen stellt die Versicherungsgemeinschaft von BC Ein - bis Zweitagesgenehmigungen aus, um ein Fahrzeug in eine andere Provinz zu ueberfuehren. Wir muessen nur glaubhaft rueber bringen, dass dein Fall ein solcher Ausnahmefall ist", sagte er zu mir. "Ich habe einen Freund, der Broker ist. Ich rufe ihn an, erzaehle ihm ne Story und wenn du Glueck hast, kriegst du ein Nummerschild fuer zwei Tage, um das Auto nach Whitehorse zu fahren und dort anzumelden."
Wenig spaeter stand ich vor seinem Kumpel. Und noch wenig spaeter klebte ein Zettel vorn und einer hinten in der Scheibe, die mir erlaubten 48 Stunden lang durch die kanadische Kante zu kurven. Ein paar Stunden spaeter tarf Bubbi und seine Meagan ein und wir fuehren zusammen nach Edmonton, wo ich die beiden ablud und dann selbst weiter nach Fort Sankt John fuhr.
Hier steht das Auto jetzt erst mal auf sicherem privaten Grund, dank Calvin. Ich kann das Auto fuer ein paar Monate hier stehen lassen. Mein Plan ist jetzt Anfang Januar mit dem Greyhoundbus nach Whitehorse zu fahren, den Wagen anzumelden, am naechsten Tag einen Bus zurueck nach FSJ zu nehmen und von dort dann hoffentlich mit meinem ersten eigenen Fahrzeug in die USA zu fahren. Denn mein Visa laeuft Mitte Januar aus, was mich mit einer bevorstehenden Deportation konfrontiert. Ich werde mich fuer 3 Monate nach Californien oder Oregon selbst deportieren und dann im April wieder nach Kanada einreisen, um noch mal fuer ein paar Monate hier zu residieren, Pilze zu sammeln (was der eigentliche Grund fuer die ganze Autogeschichte ist), Vancouver Island ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen und mir meine Finger hoffentlich noch ein wenig mehr an Megan zu verbrennen.

Seit zwei Wochen bin ich nun schon wieder an der Arbeit hier in FSJ. Calvin war so zufrieden mit unserer Arbeitsmoral, dass er uns in dieser Saison 20 $ die Stunde bazahlt. Ich will mich nicht beklagen. Drei Monate harte Arbeit koennten mir die naechsten drei Jahre Reiserei finanzieren. Besser kanns doch nicht laufen. Obwohl ich sagen muss, dass ich eigentlich nicht mehr im Oel arbeiten will. Ich glaube ich habe mich im Sommer zu sehr veraendert. Ich habe das Gefeuhl, dass ich meine Erfahrungen hier gemacht habe, die mich interessieren. Doch ich habe Calvin vor all diesen sommerlichen, veraendernden Erfahrungen versprochen zurueck zu kommen. Und auch wenn ich jetzt lieber woanders waere - ich bin jemand, der seine Versprechen haelt solange es moralisch vertretbar ist. Ich hatte zu viele negative Vorbilder im Leben, als dass ich es anders machen koennte. Haette ich das Versprechen nicht gegeben, dann waere ich jetzt wahrscheinlich in Victoria und wuerde um das Herz einer wundervollen Frau kaempfen. Vielleicht bringt mich meine Treue fuers eigene Wort um dieses Herz. Doch das ist es mir wert. Mein Idealismus ist es mir wert.